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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte
Autoren: Taylor Stevens
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LEERE kann Gott dich nicht beschützen«, erklärte Hannah, »aber was noch schlimmer ist: Wenn man nicht mehr bei den ERWÄHLTEN ist, kann der Teufel von einem Besitz ergreifen.«
    »So wie bei deiner Mutter?«
    Hannah hielt den Blick auf die Bettdecke gerichtet und nickte.
    Es hatte keinen Sinn, dieser Angst oder diesem Glauben mit Argumenten zu begegnen. Jedes Wort würde nur noch mehr Widerspruch erzeugen und zurückgewiesen werden. Hannah würde mit der Zeit eigene Erfahrungen machen und dadurch lernen, welche Ängste begründet waren und welche nicht. Das war die einzige Möglichkeit. Jetzt brauchte sie nichts weiter als jemanden, der ihr zuhörte und der ihre Gefühle ernst nahm, und zwar bevor sie mit ihrer Mutter zusammentraf.
    »Die Vorstellung, dass dir das auch passieren könnte, ist beängstigend, oder?«, sagte Munroe.
    Hannah nickte.
    »Aber selbst wenn deine Mutter ein Teil der LEERE ist«, fuhr Munroe fort, »ist es nicht besser zu wissen, dass sie dich bei sich haben will, dass sie sich nach dir sehnt?«
    »Das stimmt, es fühlt sich besser an. Auch wenn es überhaupt nichts ändert.«
    »Dein Vater sehnt sich auch sehr nach dir«, sagte Munroe.
    Hannah schniefte. Wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab. »Ich weiß. Aber Gottes Werk geht vor.«
    »Ich spreche von deinem richtigen Vater.«
    »Er ist mein richtiger Vater«, sagte Hannah. Dann hielt sie inne, sah Munroe an, als sei sie sich nicht hundertprozentig sicher, und fügte hinzu: »Oder etwa nicht?«
    Ihre Stimme war voller Hoffnung, die Stimme eines verlassenen Kindes, das alles, was es bis jetzt für wahr und richtig gehalten hatte, beiseiteschob, sogar den Pfad der Erlösung verließ, allein aufgrund der Hoffnung, dass es vielleicht irgendwo ein Elternpaar gab, das auf sie wartete, das sie wirklich bei sich haben wollte. Es war sehr gefährliches Terrain, und Munroe musste außerordentlich behutsam vorgehen.
    »Ich kann nicht alle deine Fragen beantworten«, sagte Munroe, »aber ich kenne deine Mom und deinen Dad – deinen richtigen Dad – schon sehr, sehr lange. Ehrlich gesagt, dein richtiger Dad ist mein bester Freund.«
    »Haben sie dich geschickt, um mich zu holen?«
    »Ja«, gab Munroe zu. »Sie suchen schon seit vielen Jahren nach dir.«
    Hannah fing wieder an zu weinen, ließ einen stummen Tränenbach auf die Bettdecke tropfen. Munroe wusste, welcher Konflikt sie innerlich zu zerreißen drohte. Die Vorstellung, dass sie wirklich gewollt wurde, barg ein Gefühl großer Erleichterung, aber die tödliche Angst vor der LEERE und dem Verlust der schützenden Macht der ERWÄHLTEN war stärker. Munroe nahm Hannahs Hand, und das Mädchen sah mit rot geschwollenen Augen zu ihr auf.
    »Ich weiß nicht viel über dein Leben, Hannah«, sagte Munroe. »Ich weiß nicht, wo du schon überall warst oder welche Leute du kennst, mit wem du zusammengewohnt hast und mit wem nicht, aber ich kann dir das sagen, was ich weiß. Ich kann dir ein paar Dinge aus der Vergangenheit erzählen, an die du dich wahrscheinlich nicht mehr erinnern kannst. Ich kann dir sagen, dass Magdalene deine Tante ist, die Schwester deiner Mutter, und dass David
dich deinen Eltern weggenommen hat. Er war damals mit deiner Mutter zusammen.«
    Hannah starrte sie ungläubig an, dann senkte sie den Kopf. »Mein Dad und ich sehen uns aber ähnlich, und wir haben den gleichen Nachnamen. Kann ja sein, dass Magdalene meine Tante ist, aber sie ist Amerikanerin, und ich bin aus Venezuela, genau wie mein Dad.«
    »Ich selbst habe drei Reisepässe aus drei unterschiedlichen Ländern, aber keinen aus dem Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin. Also, was bin ich dann?«, erwiderte Munroe.
    Hannah rührte sich nicht und sagte kein Wort.
    »Hast du dich jemals gefragt, wieso du so oft umgezogen bist?«
    »Das machen wir doch alle.«
    »Aber du noch öfter, hab ich nicht recht? Hast du gewusst, dass David von der Polizei gesucht wird? Dass er früher einmal einen amerikanischen Reisepass hatte, den er aber nicht verlängern lassen kann, weil er sonst verhaftet wird? Hast du gewusst, dass du auch einmal einen amerikanischen Reisepass gehabt hast?«
    Hannah hob den Blick und sah sie anklagend an. »Ist das wahr?«
    »Ja, das ist wahr. Und obwohl ich gerade keine Beweise bei mir habe, lassen sie sich sehr leicht finden, wenn man sie finden will.«
    Hannah schwieg wieder, mit finsterem Blick.
    »Ich erzähle dir jetzt eine kleine Geschichte«, sagte Munroe. »Danach bin ich bereit, jede
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