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Missing Link

Missing Link

Titel: Missing Link
Autoren: Walt Becker
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ihre Arbeit abwertete, am besten, wenn sie ins Unbekannte trat.
    Mit einem Bild der verstorbenen Mary Leakey an der Ausgrabungsstelle am Ufer des Turkanasees hatte alles angefangen. Das Foto dieser unabhängigen, mit Staub bedeckten und neben ihrer großen Entdeckung, dem Turkana-Jungen, stehenden Frau hatte Samantha dazu angeregt, einer Disziplin nachzugehen, in der sich die großen Namen gerade erst herauskristallisierten. Paläanthropologie - die junge, die offene Wissenschaft - war von zähen Seelen bevölkert, die nach dem Schlüssel für die Geschichte des Menschen suchten. Sie suchten Knochen, alte vormenschliche Knochen. Und Samantha hatte immer davon geträumt, etwas zu finden, was sich als Meilenstein in ihrer Disziplin erweisen und ihr einen Platz in der Welt der Wissenschaft - in einer Welt von Männern - sichern würde.
    Die Spalte war enger, als sie vermutet hatte.
    »Fass nichts an!«, rief sie Ricardo zu, der hinter ihr war.
    Samantha kroch mit dem Kopf voraus durch die enge Öffnung. Ricardo folgte ihr mit weiteren Lampen und einem kleinen Plastikbeutel mit Hacken und Bürsten, nachdem er, da er stecken geblieben war, das Loch um ein paar Zentimeter vergrößert hatte. »Ich pass nur auf, dass kein Wasser eindringt«, verteidigte er sich nicht sehr überzeugend.
    Ohne etwas darauf zu erwidern, schüttelte Samantha den Kopf, bevor sie ihre Aufmerksamkeit der Höhlenwand widmete. »Was haben wir denn hier?« Sie vergrößerte den Lichtkegel ihrer Helmlampe, um den Raum besser zu beleuchten. Die vier Meter hohe Decke der Höhle erstreckte sich auf einer Länge von etwa zwanzig Metern vor ihnen, ehe sich die zerklüftete Felsoberfläche in einem steilen Winkel zum Boden hin zuspitzte. Samantha konnte den hinteren Teil der Höhle gerade noch erkennen, wo sie in einem unpassierbaren, nur einige Zentimeter breiten Spalt endete.
    »Gibst du mir meinen Recorder?«, bat sie.
    Ricardo reichte ihr ein Diktiergerät.
    »Gracias.« Samantha drückte den Aufnahmeknopf. »Achter März 1998. Sechster Tag. Haben in dem Höhlensystem eine Öffnung zu einem anderen Raum entdeckt.«
    Staub wirbelte durch den Strahl ihrer Helmlampe. Das gelbe Licht zuckte zuerst über den Boden, dann hinauf in Richtung der Rückwand.
    »Sieht aus, als wäre die kleinere Höhle das Ergebnis eines sinkenden Grundwasserspiegels. Zeichen von Vulkanaktivität. Ähnlich wie die größere Höhle. Scheint vollkommen unversehrt zu sein.«
    »Das ist gut. Das ist echt gut«, murmelte Ricardo.
    Samantha glaubte, dass in dieser kleineren Höhle besser erhaltene Fossilien zu finden sein könnten. Eine von menschlichen und tierischen Bewohnern der letzten tausend Jahre unberührte Ausgrabungsstätte - ganz zu schweigen von den Hacken anderer Paläanthropologen.
    »Sollen wir eine Karte anfertigen?«, fragte Ricardo.
    »Ja«, antwortete Samantha. »Aber ich will nicht mehr als ein halbes Dutzend Leute gleichzeitig hier unten haben. Sag Twana, er soll zwei seiner besten Männer auswählen.«
    »Schon erledigt.«
    Ricardo ging los, um die Pflöcke und Seile zu holen, die sie zum systematischen Abstecken des Raums benötigten.
    Twana war ein hochrangiger Dogon, den Samantha als ihren Vorarbeiter bestimmt hatte. Einige der Dogon, vor allem die jüngeren, gingen mit den empfindlichen Knochen und Steinwerkzeugen, die sie gefunden hatten, recht sorglos um. Sie schienen nicht zu verstehen, warum die Dinge wichtig waren. Twana allerdings nahm die Sache sehr genau.
    Samantha fegte auf einer kleinen Fläche vor sich die Vulkanasche weg. Sie wusste, dass sie sich mindestens ein paar Zentimeter durch den über die Jahrtausende angehäuften Staub graben musste, aber sie vermochte sich nicht zurückzuhalten. Unter dieser Schicht könnte die Auszeichnung liegen, nach der sie sich sehnte - alte menschliche Überreste, die womöglich die Antwort auf die Frage nach den Ursprüngen der Menschheit zu liefern im Stande waren. Auf verzweifelte Weise begehrte sie diesen Schatz. Ihre Karriere vertrug keine weitere Niederlage.
    Sie versuchte sich selbst einzureden, dass sie sich einen Dreck um ihre Familie scherte, doch tief in ihrer Seele wollte sie mehr als alles andere, dass ihre Familie stolz auf sie war. Sie konnte es nicht ändern, dass sie nicht der Star-Quarterback, die gerissene Politikerin oder gar die berühmte Opernsängern war, die sich ihr kompromissloser Vater immer gewünscht hatte. Mit der Eignung zu diesen Berufen hatte es ein paar Probleme gegeben. Erstens war
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