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Missing in Action

Missing in Action

Titel: Missing in Action
Autoren: Christoph Hardebusch
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ein widerliches, dumpfes Klatschen.
    Die Nase des Shuttles hob sich, und John wurde nach hinten geworfen. Garrellos Sitz segelte auf ihn zu, John duckte sich, und die Leiche des Technikers verfehlte ihn bloß um Haaresbreite.
    Das Shuttle schlug erneut auf, weniger hart diesmal, aber John hatte auch keine Widerstandskraft mehr. Sein ganzer Körper war ein einziger Schmerz, er spürte, wie ihm Blut über das Gesicht lief. In seinen Ohren dröhnte es, während das Shuttle über den Boden rutschte, gegen Hindernisse prallte und schließlich mit einem letzten furchtbaren Schlag zum Stehen kam.

3
    Einige gnadenvolle Momente lang schwebte John in der unwirklichen Zone zwischen Erwachen und Schlaf. Seltsame Gedanken zuckten durch seinen Geist; er wollte eine Einkaufsliste schreiben, weil er doch Besuch bekam, dann wieder suchten seine Füße Halt auf einem Boden, der zu wenig stofflich war, um ihn zu tragen. Und dann kehrte die Wirklichkeit zurück – mit rasenden Schmerzen und Übelkeit, die durch seinen Körper jagte. Er öffnete die Augen, zumindest das eine, das nicht zugeschwollen war, und sah sich um.
    Um ihn herrschte totales Chaos. Aufgebrochene Ladecontainer hatten ihren Inhalt verstreut, Trümmerstücke bedeckten den Boden, und direkt vor ihm steckte ein armlanges Stück spitzes Metall in der Wand, das seinen Kopf wohl nur um Haaresbreite verfehlt hatte. Er selbst hing in seinem Stuhl, nur von den Kreuzgurten aufrecht gehalten, die sich in sein Fleisch gruben. Stöhnend hob er den Arm und fingerte lange Sekunden am Öffnungsmechanismus herum, bevor er endlich
den Hebel fand und sich befreien konnte. Er drohte aus dem Stuhl zu kippen, drückte sich aber mit den Beinen wieder hoch und saß schließlich still.
    Einige langsame Atemzüge später versuchte John aufzustehen. Inzwischen kostete ihn nicht mehr jede kleinste Bewegung seine ganze Kraft, aber bis er schließlich an die Wand gelehnt dastand, dauerte es eine ganze Weile, und mit den zittrigen Knien und tanzenden, hellen Flecken vor den Augen kam er sich vor wie ein alter Mann.
    Der erste Schritt war noch qualvoll, aber schon beim zweiten ging es besser. Zwar hielt er sich noch an der Lehne des Stuhls fest, den er umrundete, aber er hatte nicht mehr das Gefühl, sofort umfallen zu müssen, wenn er diesen Halt verlor. Vorsichtig suchte er sich einen Weg zwischen den Trümmern hindurch. Unter den Sohlen seiner Kampfstiefel knirschten zerbrochenes Plastik und verschmortes Plexiglas. Seine mit allerlei Technik aufgemotzten Muskeln hielten ihn auf den Beinen. Die Modifikationen waren nach modernen Maßstäben überholt, aber noch leisteten sie ihm halbwegs gute Dienste.
    Vor ihm lag ein weiterer Stuhl, halb auf die Seite gedreht. John hatte schon viele Tote gesehen, aber Garrellos Anblick verstärkte das flaue Gefühl in seinem Magen dennoch um ein Vielfaches. Der Techniker war noch an den Stuhl geschnallt, aber es hatte ihm wenig genützt. Seine Gliedmaßen lagen in unnatürlichen Winkeln da, teilweise mehrfach gebrochen. Aus seiner Schulter stach ein weißes Stück Knochen
hervor, umgeben von gerissenem rotem Muskelgewebe. Doch es war das Gesicht, oder besser das, was von ihm übrig war, das John trocken schlucken ließ: Es war vollkommen zerschmettert, jeder Knochen schien gebrochen zu sein, und aus der rohen Fleischmasse troff immer noch Blut. Es stank erbärmlich. John konnte den Techniker nur an seinem blutverschmierten Haar erkennen, und weil er wusste, dass er es sein musste.
    Mit einem langen Schritt stieg er über das grausige Hindernis hinweg. Von weiter hinten erklangen Stimmen, und er folgte ihnen durch das Schott in den vorderen Laderaum, der aussah, als habe eine Abwrackcrew ihr ganzes Können gezeigt.
    John hatte Schwierigkeiten, geradeaus zu laufen, und benötigte einige taumelnde Schritte, um zu bemerken, dass das Shuttle auf die Seite geneigt dalag. Im Boden des ersten Lagerraums waren mächtige Dellen zu sehen, aber diese Schäden waren nichts gegen den zweiten Laderaum, bei dem ein Teil des Bodens und der Außenwand einfach fehlten – dort befand sich nur ein riesiges, gezacktes Loch, durch das viel zu grelles Licht schien.
    Mit immer noch unsicheren Schritten ging John zu der neuen und wenig verheißungsvollen Öffnung und blinzelte gegen das helle Licht der Sonne an, das einen gelben Stich hatte. Er kletterte hinaus, stand auf der aufgewühlten Erde, sah sich um und verlor in Sekundenschnelle den Kampf gegen die Übelkeit.
    Das Essen in der
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