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Miss Seeton und der Hexenzauber

Titel: Miss Seeton und der Hexenzauber
Autoren: Heron Carvic
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laubgrünen Kleid und dem türkisfarbenen Umhang
    verdeckt, der am Hals mit einer goldenen Kordel festgebunden war. Still und unauffällig erregte sie Aufmerksamkeit, die sie selbst jedoch allen versagte. Sie war entzückend, strahlend und unwiderstehlich. Sie war eine Puppe.
    Miss Seeton betrat den Gemischtwarenladen.
    »Eric«, flüsterte Mrs. Blaine, »hast du das gesehen?«
    »Was?« Erica Nuttel, die gerade Briefmarken kaufte, wandte sich von dem Gitter vor dem Postschalter ab und sah sich in dem Laden um.
    »Diese Seeton«, sagte Norah Blaine angewidert. »Sie hat Nadeln gekauft.«
    »Ist etwas aufgeplatzt oder verrutscht?« fragte Miss Nuttel.
    »Nein, keine Sicherheitsnadeln. Normale Nadeln. Das ist wirklich seltsam.«
    »Was, Bunny?«

    »Aber, Eric, hast du das nicht mitbekommen?« fragte Mrs. Blaine ihre Freundin aufgebracht. »Sie hat die Puppe, die im Schaufenster saß, gekauft. Na ja, natürlich habe ich mich darüber schon gewundert. Was, um Himmels willen, macht sie mit so einem Ding? Sie hat doch keine Verwandten – jedenfalls« – ihre Lippen verzogen sich geringschätzig –, »niemanden, von dem wir je gehört hätten. Außer dieser Mrs. Bannet natürlich. Aber sie war nur eine weit entfernte Verwandte. Ein Jammer, finde ich, daß sie gerade der ihr Cottage hinterlassen hat – Taufpatin oder nicht.« Sie schaute sich anklagend in Plummergens Postamt und einzigem Gemischtwarenladen um. »Es ist mir ein Rätsel, warum Mr. Stillman eine solche Puppe überhaupt ins Lager genommen hat. Viel zu hochgestochen für ein kleines Dorf wie dies. Ganz und gar unpassend. Und«, fügte sie hinzu, »viel zu teuer. Ich hielt das für eigenartig, aber« – sie senkte die Stimme und fuhr bebend vor Entrüstung fort: »Aber die Nadeln erklären alles. Das ist wirklich schrecklich.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Aber, Eric, erinnerst du dich nicht? Neulich in der Zeitschrift Anyone’s? « Miss Nuttel, eine große Frau mit rechteckiger Gestalt, bewegte den pferdeähnlichen Kopf auf und ab, als ihr plötzlich ein Licht aufging. Gleichzeitig horchten auch andere auf, schließlich wurde Anyone’s von vielen im Dorf gelesen. Mrs. Flax hielt mitten im Streit mit Mrs. Stillman, ob Bananen zum oder im Curry serviert werden sollte, inne. Sogar eine angeregte Unterhaltung an der Käsetheke über das neue Bulman-Baby, das Jack Bulman so gar nicht ähnlich sah, dafür dem Sie-wissen-schon wie aus dem Gesicht geschnitten war, verstummte.
    Die plumpe Norah Blaine zitterte vor Aufregung am ganzen Leib. »Dieser gräßliche Artikel über Hexerei und Teufelsverehrung. Da stand drin, daß man in bestimmten  Geschäften Puppen kaufen kann, denen bereits ein Paket Nadeln beigefügt ist. Und jetzt frage ich dich: Wenn jemand wie die eine solche Puppe kauft … welche andere Erklärung könnte es dafür geben?«
    Für die besorgten Mithörer im Dorfladen lag natürlich auf der Hand, daß es nur eine einzige vernünftige Erklärung dafür geben konnte – vernünftig für die beiden Ladys, deren Hauptbeschäftigung die Angelegenheiten anderer Leute waren und die sich unermüdlich bemühten, die Handlungen aller Mitmenschen zu analysieren, und die sich außerdem zum Ziel gesetzt hatten, sich dabei lieber an Aufsehenerregendes als an die schlichte Wahrheit zu halten. Eine ganze Flut von beunruhigenden Artikeln war in den vergangenen Wochen in den Zeitungen erschienen, um die Öffentlichkeit auf die ernstzunehmende Verbreitung von Hexenkult und schwarzer Magie hinzuweisen. Dämonologie, informierten die einschlägigen Blätter ihre Leser, sei ein einträgliches Geschäft. Magie, unterstützt durch Drogen, wurde zur Bedrohung. Mehr und mehr Menschen durchdrangen die Oberfläche der Angepaßtheit, um die tiefsten Tiefen des Daseins zu ergründen. Der Trend, so behaupteten sie, sei weltweit verbreitet. Die UNESCO zeige größte Besorgnis über die Situation in Deutschland. Australien habe Angst um Sydney und seine Bewohner. In New York befürchteten die Behörden, daß der Okkultismus seine Tentakel von den Vierteln der schwarzen und spanischsprechenden Bevölkerung über York und die First Avenue zum Sutton Place ausstrecken könnte. Dieser grausige Kult, warnten die Zeitungen, verbreite sich auch in Großbritannien immer mehr. Abgelegene Landstriche, Stadtzentren, Vororte und Dörfer auf dem Land – keine Gegend sei gegen diese neue Gefahr gefeit … Auch die Bewohner von Plummergen spürten die Bedrohung. Nur  wenige Meilen
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