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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles
Autoren: Heron Carvic
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Türpfosten. Er zwang sie, in den Fond des wartenden Wagens zu steigen, und setzte sich zwischen sie, während sie sich auf den Boden legen mußten und mit einer Decke zugedeckt wurden. Dann befahl er dem Fahrer, die Straße zum Bahnhof von Plummergen einzuschlagen, der nach echter englischer Tradition ungefähr zwei Meilen entfernt lag.
    Sobald der Gangster die Luft für rein hielt, ließ er an einer Fernsprechzelle halten. Er gab dem Fahrer seine Pistole und rief London an, um weitere Anweisungen zu erhalten.
    Nach seiner Rückkehr sagte er: »Wir sollen rumfahren, bis es dunkel ist, dann zurück nach London. Ist sicherer. Über die A 20, durch Lewisham, weiter direkt zum Hauptquartier. Dort liefern wir sie ab. Los, ihr beiden!« Er schlug die Decke zurück. »Sie können sich hinsetzen, wenn Sie ruhig bleiben und sich benehmen.« Miss Seeton, den Hut schief auf dem Kopf, und Deirdre, mit zerzaustem Haar, erkannten, daß es keinen Zweck hatte zu protestieren. Sie nahmen rechts und links von ihm Platz.
    Sie fuhren nur auf Nebenstraßen. Bei einem Wirtshaus hielten sie an, und der Fahrer holte zwei heiße Fleischpasteten und zwei Dosen MUT-Bier. Etwas weiter entfernt lag ein kleines Gebüsch mit einem geeigneten Rastplatz. Der Wagen bog von der Straße ab, und die Männer begannen zu essen. Deirdre glaubte, die Aufmerksamkeit ihrer Entführer sei nun genügend abgelenkt. Sie drückte die Türklinke hinunter und versuchte zu fliehen. Der Gangster versetzte ihr mit der Pistole einen Stoß in die Rippen, beugte sich vor und schlug die Tür zu. Dabei entglitt ihm der Rest seiner Pastete, und die geöffnete Dose Bier fiel auf den Boden. Wütend gab er Deirdre einen zweiten Stoß, noch heftiger als der erste, der sie aufschreien ließ.
    Dann begann es zu dunkeln. Der Mann befahl dem Fahrer, sich auf den Weg nach London zu machen. Er lehnte sich zurück und warf einen Blick auf Miss Seeton.
    Die Alte war richtig eingeschüchtert – kein Wunder. Indessen war dies eine falsche Diagnose. Er konnte nicht wissen, daß es Miss Seeton gleichgültig war, wenn sie persönlich bedroht wurde, weil sie so etwas einfach nicht glauben konnte. In diesem Fall hielt sie jedoch die Gefahr zurück, die ganz offensichtlich Deirdre drohte. Auch konnte er nicht wissen, daß es zwei Dinge gab, die Miss Seetons ausgeglichenes Temperament reizten: Herzlosigkeit und Ungerechtigkeit, und hier handelte es sich um beides. Miss Seeton war wütend.

12
     
    Delphick machte sich bittere Vorwürfe. Er war so sicher gewesen, daß Miss Seeton während der nächsten Stunden nicht in Gefahr war und nicht sofort wieder ein Überfall auf sie geplant werden würde. Er hatte einige Zeit gebraucht, um auf dem Fest alles zu klären. Von den fünf festgenommenen jungen Männern hatte Haley drei mit Bestimmtheit und zwei als mögliche Mitglieder der Bande erkannt. Haley hatte abgespannt ausgesehen. Er wurde mit den Verhafteten nach Ashford geschickt, um offiziell Anklage zu erheben. Dann sollte er einen Zug nach London nehmen und seinen unterbrochenen Erholungsurlaub fortsetzen. Schließlich begaben sich Delphick und Bob Ranger zu Miss Seetons Haus, fanden jedoch nur Deirdres leeren Wagen am Tor vor und ein von einem Polizisten bewachtes leeres Nest, aus dem die Vögel ausgeflogen waren. Es wurden Straßensperren errichtet, aber es bestand wenig Hoffnung, da man nicht wußte, was eigentlich geschehen war. Der Chefsuperintendent befahl seinem Sergeanten, in Plummergen zu bleiben, und machte sich wütend auf den Weg nach London. Er fand auch keinen Trost in Brintons Bemerkung: »Gott steh ihnen bei, wenn sie Miss S. entführt haben! Ihre Freundin wird sich mit ihnen schießen, den Wagen zertrümmern und unversehrt aus allem hervorgehen wie Phönix aus der Asche. Das werden Sie sehen!«
    Miss Seeton sah in Neonschrift folgende Worte am Nachthimmel aufleuchten: Nehmen Sie MUT. Es war wie eine Mahnung.
    Du lieber Himmel! Sie schreckte auf. Das war wie die Antwort auf ein Gebet. Nur hatte sie nicht gebetet. Sie hatte sich nur gefragt, was sie um Himmels willen tun konnte, um der armen Deirdre zu helfen. Als ob die Kenhardings nicht ohnehin Kummer genug hatten. Der Wagen wurde an mehreren Verkehrsampeln angehalten.
    Die Uhr an der Ampel in Lewisham zeigte fünf nach neun. Deirdre, die während der letzten Stunden mehrmals protestiert hatte, war mit einem kurzen »Ruhig, Mädchen!« zum Schweigen gebracht worden. Sie blickte auf die Uhr und gab die Hoffnung auf. Toms letzte
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