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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles
Autoren: Heron Carvic
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Schaufensterpuppe angeführt. Er nahm sein Sprechfunkgerät und meldete: »Bombe bei Chez Charbotte explodiert.«
    Er erhielt die Anweisung, an Ort und Stelle zu bleiben und bis zur Ankunft von Ambulanz und Verstärkung sein möglichstes für eventuelle Verletzte zu tun. Dann steckte er das Gerät in die Tasche und knipste die Taschenlampe an. Das Licht fiel auf ein Mädchen und auf eine kleine, ältere Frau, beide staubbedeckt und mit zerzaustem Haar, die auf einem Mann saßen. Nein, er ließ sich nicht noch einmal zum Narren halten: Sie saßen auf einer männlichen Schaufensterpuppe. Wegen des hellen Lichtes schlossen beide Damen die Augen. Er senkte die Taschenlampe und sah, daß die ältere eine Pistole im Schoß hielt, die auf seine Brust gerichtet war. Er knipste hastig die Taschenlampe aus, sprang zur Seite, stolperte über nicht zu erkennende Gegenstände, erlangte sein Gleichgewicht wieder, knipste die Lampe wieder an und entriß die Pistole Miss Seetons widerstandslosen Händen.
    »Danke!« sagte Miss Seeton erleichtert.
    »Haben Sie eine Lizenz?« fragte er.
    »Selbstverständlich nicht.« Sie war empört. »Sie gehört mir gar nicht. Sie gehört…« Sie unterbrach sich. Sie und Deirdre schaukelten auf ihrem Sitz auf und ab, während sich die männliche Schaufensterpuppe unter ihnen hob und senkte, wobei sie ein unartikuliertes Brummen hören ließ.
    Der Polizist hatte allmählich das Gefühl, daß er sich in irgendeine seltsame Traumwelt verirrt hatte. Er holte tief Atem. »Warum sitzen Sie auf ihm?«
    »Um ihn festzuhalten«, antwortete Deirdre sachlich. »Was hätten wir sonst tun sollen?«
    Sie war aus dem Wagen gesprungen, als er zum Stillstand gekommen war. Der Gangster hatte sie packen wollen und war gestrauchelt und gestürzt. Geistesgegenwärtig hatte sie sich auf seinen Kopf gesetzt.
    Da sie jedoch gegen seine Schläge nicht ankam, hatte sie Miss Seeton gerufen. Ihr vereintes Gewicht hatte ihn auf den Boden gedrückt. Deirdre, an den Umgang mit Pistolen nicht gewöhnt, hatte sie der widerstrebenden Miss Seeton aufgedrängt. Sie wagten beide nicht, sich zu bewegen, und hofften auf Hilfe. Als sich die beruhigende Silhouette eines Polizeihelmes näherte, wurde Deirdre nach der Anspannung der letzten Stunden fast leichtsinnig.
    »Er könnte ersticken, Miss«, protestierte der Beamte.
    »Auch gut«, erwiderte Deirdre.
    Der Polizist, der merkte, daß er die Situation nicht mehr beherrschte, klammerte sich an die einzige in seinen Augen unabänderliche Tatsache. »Diese Bombe – war sie im Wagen oder im Geschäft?«
    »Welche Bombe?« fragte Deirdre erstaunt.
    »Welche Bombe?« echote Miss Seeton.
    Das Mädchen begann zu kichern. Miss Seeton, die die beginnende Hysterie erkannte, meinte, sie müsse erklären, von Anfang an, sehr klar.
    »Als dieser Mann«, dabei zeigte sie auf die Gestalt unter sich, »das tat, was er eine Entführung nannte – das war nach dem Fest... « Man mußte deutlich sein. »Das heißt, das Fest war noch im Gange. Aber wir waren nicht mehr dabei, meine ich... «
    »Und die Bombe?« unterbrach sie der Polizist, der sich hartnäckig an seinen Strohhalm klammerte.
    »Oh, das!« Sie sah mit ihren an Dunkelheit gewöhnten Augen umher. Das Licht der Taschenlampe beleuchtete hier und da einige Details. Jetzt verstand sie seinen Irrtum. Natürlich. Er hatte recht. Es war wirklich ganz einfach, ganz kurz zu erklären. »Es war keine Bombe«, versicherte sie ihm. »Verstehen Sie, ich befürchte, das war ich.«
    »Was?« stieß Delphick verblüfft aus. »Eine Nadel?«
    Der Chefsuperintendent war voller Selbstvorwürfe im Büro geblieben und hatte sich erfolglos an jede nur mögliche Informationsquelle gewandt. Und jetzt kam dieser Anruf. Erleichtert starrte er den Hörer an, als ob er diesen für Miss Seetons neueste Eskapade verantwortlich machte. Dann sagte er:
    »Wenn sie und Miss Kenharding in den Klub wollen, und Miss Seeton behauptet, es sei dringend, dann stimmt es wahrscheinlich. Ich an Ihrer Stelle würde sie so schnell wie möglich hinbefördern.« Er horchte einen Augenblick. »Unterzeichnete Aussagen und formelle Anklage können warten – wenn notwendig bis morgen. Sie werden nicht davonlaufen. Wenn sie aber entschlossen ist, zu diesem Lokal zu fahren, dann wird sie irgendwie versuchen, hinzugelangen. Und wenn Sie sie aufhalten, wird sie Sie wahrscheinlich auch mit Nadeln piken.« Er lauschte wieder und seufzte. »Gut, wenn es Ihnen hilft, gehe ich ins 10/20 und übernehme
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