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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles
Autoren: Heron Carvic
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unmittelbare Gefahr. Die Polizei brauchte alle Männer, um die Jugendlichen ausfindig zu machen und festzunehmen, die beteiligt gewesen waren. Vielleicht konnte Haley einige identifizieren, die auch bei dem Überfall auf dem Parkplatz mitgemacht hatten.
    Für Deirdres Schatten war die Lage ideal. Er hatte das Dorf ausgekundschaftet und es wegen des Festes praktisch leer gefunden. Er befahl seinem Fahrer, den Wagen an der Seitentür zum Garten zu parken, so daß die Wache vor dem Haus ihn nicht sehen konnte. Er selbst schlich die Straße am Kanal entlang, kletterte über die niedrige Mauer, die Miss Seetons Garten an der Rückseite abschloß, ging über das Dach eines Hühnerhauses, sprang hinunter und näherte sich vorsichtig dem Kücheneingang.
    Deirdre war angezogen und bereit zu gehen. »Sie verstehen doch – Sie müssen einsehen, daß Tom und ich niemals … nicht jetzt! Ich weiß, es war in Wirklichkeit Derricks Schuld, und Tom wollte nicht schießen. Aber das ändert die Dinge nicht. Derrick würde immer zwischen uns stehen.« Sie war entschlossen, nicht zu weinen. »Ich habe recht – das finden Sie doch auch, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte Miss Seeton, »das finde ich nicht.«
    Deirdre starrte sie entgeistert an.
    Miss Seeton schloß den Deckel des Schreibtisches, in den sie ihr Skizzenbuch gelegt hatte, und begann ihren Mantel aufzuknöpfen. Sie musterte Deirdre, und es tat ihr weh, sie so leiden zu sehen; bei ihrer Ankunft war sie noch so glücklich gewesen. »Ich finde, es ist nur eine Frage, ob Sie an Recht und Ordnung glauben oder nicht«, nahm sie das Gespräch wieder auf. »Sie sagen doch selbst, es sei die Schuld Ihres Bruders gewesen. Tom hat nur seine Pflicht getan. Ich glaube, wenn die Umstände anders wären, würden Sie Tom als Helden betrachten. Mir scheint, es ist ungeheuer unfair Tom – und Ihnen selbst – gegenüber, wenn Sie Ihr Verhältnis zu ihm von Ihrer Liebe zur Familie oder deren Fehler bestimmen lassen.« Als sie an ihren Besuch in der Bildergalerie des Landgutes zurückdachte, wo der Vater in gewisser Hinsicht die Selbstzerstörung seines Sohnes vorausgesagt hatte, wurde Miss Seeton unsicher. »Sie müssen natürlich tun, was Sie für das beste halten.«
    Die Strenge, die Miss Seeton zunächst gezeigt hatte, bewirkte, daß Deirdre sich erholte. »Sie meinen, ich soll mich heute abend mit Tom treffen?«
    Nun ja, das meinte sie zwar, aber vielleicht wäre es besser, es nicht zu sagen. Miss Seeton unterdrückte einen Seufzer. Man gab nur sehr ungern Ratschläge – weil man dadurch nur in das Leben anderer Leute verwickelt wurde. Zweifellos sollte Deirdre dieses Lokal aufsuchen, wenn ihre Gefühle für Tom echt und nicht oberflächlich waren. Natürlich konnte man dies nicht so ohne Umschweife sagen.
    »Wenn Ihre Gefühle für Tom echt und nicht oberflächlich sind…«, begann Miss Seeton.
    »Ja, o ja, das sind sie!« Deirdre drückte Miss Seeton dankbar die Hand. »Sie haben mir gezeigt, wie dumm ich war. Ich werde ins 10/20 gehen – «
    »Heute abend nicht.«
    Beide Frauen drehten sich erschrocken um. Ein Mann mit einer Pistole in der Hand stand in der Türöffnung. Miss Seeton wollte gerade ihren Hut abnehmen und hatte die Hände erhoben, die klassische Haltung von jemandem, der sich ergibt.
    Nun reichte es ihr. Sie hatte die Nase voll von Pistolen. Sie ließ die Arme sinken und trat auf den Fremden zu. »Wer sind Sie – was wollen Sie hier?« fragte sie. »Und tun Sie dieses lächerliche Ding weg!«
    Der Mann richtete seine Pistole auf Deirdre und wandte sich an Miss Seeton. »Noch einen Ton oder einen Schritt, und die Lady bekommt eins verpaßt.«
    Miss Seeton blieb stehen. So wenig sie glauben konnte, daß eine Drohung ihr selbst galt, so konnte sie doch die Gefahr für das Mädchen nicht übersehen.
    »Ich bin gekommen, Sie mitzunehmen. Ist nicht böse gemeint, es sei denn, Sie wollen es so«, erklärte der Mann. »Übrigens werde ich Sie auch mitnehmen.« Er konnte das alte Huhn nicht dalassen. Sie würde die Polizei rufen. Er hatte gehört, daß sie umgelegt werden sollte. Zweimal hatte man es schon versucht oder noch öfter. Das Ansehen des Chefs war in Gefahr. Sie machte ihn regelrecht lächerlich. Es war also klüger, sie mitzunehmen. Vielleicht sprang dabei eine Prämie für ihn raus. Grinsend sagte er: »Das wird Sie lehren, Ihre Hintertür offen zu lassen.« Er führte sie hinaus und in den Garten hinunter. Sie nahm den Schlüssel für die Seitentür vom Nagel am
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