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Miss Monster

Miss Monster

Titel: Miss Monster
Autoren: Jason Dark
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bestrahlt.
    Diese Nacht war wie ein Wunder.
    Und ein noch größeres Wunder lag vor ihr.
    Es existierte kein Zeichen und keine Markierung, wo sich die Mitte des Sees befand. Wer ruderte, mußte sich entweder auf sein Gefühl verlassen oder – wie Wiebke – alles genau kennen.
    Noch einmal drückte sie das Paddel ins Wasser, zog es durch – und hielt es danach mit einer schwungvollen Bewegung ein, bevor sie es fast behutsam neben sich legte.
    Der alte Kahn lief schaukelnd aus, und Wiebke blieb auf der Holzplanke still sitzen.
    Ihre Haltung erinnerte dabei an die eines sehr braven Mädchens. Sie hatte die Beine angezogen und die Hände um ihre Knie geschlungen. Dabei den Kopf leicht gedreht und das Gesicht der vollen Scheibe des Mondes entgegengerichtet.
    Minutenlang blieb sie so sitzen. Sie genoß die Stille, den Geruch, das fahle Licht und das leise Plätschern der Wellen, die erst nach einer geraumen Weile zur Ruhe kamen.
    Es wurde still.
    Sehr ruhig sogar, beinahe schon beängstigend. Jede Bewegung verursachte Geräusche, war zu hören. Auch die, als Wiebke sich umdrehte und dabei Stoff über Stoff schabte.
    Der kleine See wirkte wie ein dunkler Spiegel, auf dessen Fläche sich hin und wieder kleine Flecken verteilten. Es waren die Blätter der Seerosen, auch das alte Laub. Es war vom Wind auf das Wasser geflogen und lag dort noch aus dem letzten Jahr.
    Sie schaute auf die Uhr.
    Beinahe Mitternacht.
    Ein schmales Lächeln stahl sich um ihre Mundwinkel. Es machte das Gesicht des Mädchens weicher. Wiebke brauchte nicht mehr lange zu warten, gerade rechtzeitig noch hatte sie es geschafft. Sie ließ den Blick auf die Uhr gerichtet. Mit starren Blicken verfolgte sie den Sekundenzeiger der Uhr, der dünn wie ein Spinnenbein zuckend weiterwanderte.
    Noch drei Sekunden, noch zwei, dann eine.
    Mitternacht!
    Sie atmete tief durch. Ihr linker Arm sank nach unten. Jetzt brauchte sie nicht mehr auf die Uhr zu schauen. Die Umgebung war wichtiger. Wenn alles stimmte, wenn sie die Botschaften richtig verstanden hatte, mußte es jetzt passieren.
    Und sie behielt recht!
    Plötzlich bewegte sich der Kahn, ohne daß sie etwas dazu getan hätte. Er schaukelte so heftig, daß sich Wiebke an den Bordrändern festhalten mußte. Ihr Gesicht war angespannt, die Lippen lagen dicht aufeinander, sie fielen kaum mehr auf. Über die Haut rann ein Schauer, und einen Moment später vernahm sie das Brodeln.
    Ein unheimlich klingendes Geräusch. Wasser schäumte auf. Um das Boot herum bildete es eine schaumige Fläche, es kochte, gurgelte und brodelte, brachte den alten Kahn zum Zittern, spielte mit ihm, und das Mädchen konnte nicht anders, als sich zu verkrampfen. Ein Schüttelfrost durchrann ihren Körper. Jemand benutzte das Boot als Spielball. Es waren die Wasserströme unter dem Kiel, die in kreisförmige Bewegungen gerieten und den alten Kahn herumdrehten, so daß er in einen Kreisel geriet.
    Wie eine Figur saß Wiebke in ihrem Boot. Aus dem Mund drangen leise Schreie. Sie glaubte, sich in den Klauen eines Monstrums zu befinden, hatte den Eindruck, als wäre das Wasser zu einem Tier geworden, das mit seinen Schreien die Stille erstickte.
    Plötzlich war es vorbei.
    Das Boot drehte sich zwar noch, aber seine Bewegungen waren langsamer geworden. Es schwankte, es krängte, kam irgendwann zur Ruhe, und wieder holte Wiebke tief Luft.
    Auf einmal fühlte sie sich gut. Den ersten Ansturm hatte sie lebend überstanden, die andere Kraft hatte nicht versucht, sie zu töten oder zu verletzen.
    Sie war akzeptiert worden!
    Wiebke lächelte. Noch war sie stumm, dann aber konnte sie das Lachen nicht mehr unterdrücken. Es war ihr auch egal, wie weit es über das Moor und in die Stille der Nacht hineinhallte, sie konnte es nicht mehr zurückhalten.
    Sie mußte lachen, nur lachen…
    Und es tat ihr so verdammt gut. Das mußte einfach raus, es tat ihr so gut.
    Das Wasser hatte sich wieder beruhigt. Spiegelglatt lag der See um sie herum.
    Nichts schien sich verändert zu haben – oder doch?
    Plötzlich weiteten sich ihre Augen, denn sie hatte den Eindruck, in ein großes Glasgefäß schauen zu können.
    In der Tiefe war etwas. Da hielt sich etwas verborgen, versteckt. Es war nicht zu beschreiben, es besaß keine Gestalt, nicht einmal eine richtige Form, es war einfach nur da…
    Wiebke schauderte.
    War es da, was sie in ihren Träumen verfolgt hatte? Lauerte da unten ein Stück Hölle, ein Teil der Verdammnis, das Böse, das Grauenvolle? War es der
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