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Mio, mein Mio

Mio, mein Mio

Titel: Mio, mein Mio
Autoren: Astrid Lindgren
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ebensowenig wie Tante Edla und Onkel Sixten, wenn ich hier saß und aß und laut lachte. Ich wußte ja 26
    noch nicht, wie gut mein Vater, der König, war und wie er mich liebte und wie sehr er wünschte, daß ich lachte.
    Mein Vater, der König, blieb stehen, als er mich sah.
    »Hier sitzt du, Mio, mein Mio, und lachst?« fragte er.
    »Ja, verzeih mir«, sagte ich.
    »Lach nur weiter, lach noch mehr«, sagte mein Vater, der König.
    Dann wandte er sich zum Rosengärtner und sagte etwas Merkwürdiges:
    »Ich liebe den Gesang der Vögel. Ich liebe die Musik aus meinen Silberpappeln. Aber mehr noch liebe ich es, meinen Sohn im Rosengarten lachen zu hören.« Da merkte ich zum erstenmal, daß ich niemals vor meinem Vater, dem König, Angst zu haben brauchte. Ich verstand: Was ich auch tun mochte, immer würde er mich mit diesen freundlichen Augen ansehen, so wie er mich jetzt ansah, als er da stand, eine Hand auf der Schulter seines Rosengärtners, während ihn die weißen Vögel umflatterten.
    Und als ich das verstanden hatte, wurde ich froher als je zuvor in meinem Leben. So froh war ich, daß ich ganz, ganz laut lachen mußte. Ich legte den Kopf nach hinten 27
    und lachte so laut, daß die Vögel beinah ängstlich wurden. Jum-Jum glaubte sicher, ich lache noch immer über den Vogel, der uns einen Eierkuchen gestohlen hatte. Auch Jum-Jum lachte lauter als zuvor. Und nun lachten auch mein Vater, der König, und Jum-Jums Vater und Jum-Jums Mutter mit. Warum sie lachten, weiß ich nicht. Ich weiß nur, ich lachte meinem Vater, dem König, zuliebe.
    Als Jum-Jum und ich gegessen hatten, liefen wir in den Rosengarten und schlugen Purzelbäume im Gras und spielten Verstecken hinter den Rosenbüschen. Viele Verstecke gab es dort, und wenn es im Tegnerpark und in seiner Nachbarschaft nur den zehnten Teil dieser Verstecke gäbe, könnten Benka und ich zufrieden sein.
    Ich meine, Benka könnte zufrieden sein. Ich selbst brauche wohl nie mehr nach einem Versteck im
    Tegnerpark zu suchen, und das ist gut so.
    Es begann zu dunkeln. Wie ein weicher blauer Nebel legte es sich über den Rosengarten. Die weißen Vögel verstummten und suchten ihre Nester auf. Auch die Silberpappeln schwiegen. Ganz still wurde es im Rosengarten. Nur in der Spitze der höchsten Silberpappel 28
    saß noch ein einsamer, großer schwarzer Vogel und sang.
    Er sang schöner als all die weißen Vögel vorher zusammen. Ich hatte das Gefühl, als sänge dieser Vogel nur für mich. Aber ich mochte ihn nicht hören, denn er sang, daß es weh tat.
    »Jetzt kommt die Nacht«, sagte Jum-Jum. »Ich muß nach Hause gehen.«
    »Nein, geh nicht«, sagte ich. »Ich möchte mit diesem wunderlichen Gesang nicht allein sein.« Und ich zeigte hinauf zu dem schwarzen Vogel und fragte:
    »Jum-Jum, wer ist er?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Jum-Jum. »Ich nenne ihn Trauervogel. Nur weil er so schwarz ist. Vielleicht heißt er ganz anders.«
    »Ich glaube, ich mag ihn nicht«, sagte ich. »Ich mag ihn«, sagte Jum-Jum. »Trauervogel hat so gute Augen.«
    Dann sagte er noch: »Gute Nacht, Mio«, und lief davon.
    Doch nun kam mein Vater, der König. Er nahm meine Hand, und wir wanderten durch den Rosengarten nach Hause. Trauervogel sang weiter, aber jetzt, da ich meine Hand in der meines Vaters, des Königs, spürte, schmerzte mich sein Gesang nicht mehr, und ich wünschte, er möge 29
    weitersingen. Bevor wir durch die Pforte gingen, sah ich noch, wie Trauervogel seine großen schwarzen
    Schwingen ausbreitete und dem Himmel entgegenflog.
    Und ich sah, daß dort oben am Himmel drei kleine Sterne schwach zu leuchten begannen.
    30
    Miramis

    Ich möchte wissen, was Benka wohl sagen würde, wenn er mein weißes Pferd mit der Goldmähne sehen könnte!
    Meinen Miramis mit den goldenen Hufen und der Mähne aus Gold!
    Benka und ich hatten Pferde so gern. Nicht nur Benka und Tante Lundin waren meine Freunde, als ich noch in der Upplandsgatan wohnte. Ich hatte noch einen Freund.
    Ich habe ganz vergessen, davon zu erzählen. Er hieß Kalle Punt und war ein altes Brauereipferd. Ein paarmal in der Woche kam der Wagen von der Brauerei und brachte Bier für die Geschäfte in der Upplandsgatan.
    Meist kam er zeitig am Morgen, gerade wenn ich zur Schule mußte. Ich wartete dann auf Kalle Punt, nur um ein wenig mit ihm reden zu können. Er war ein so gutes altes Pferd, und ich bewahrte ihm Würfelzucker und Brotrinden auf. Benka tat das auch, denn auch Benka hatte Kalle Punt gern. Er sagte,
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