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Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)

Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)

Titel: Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)
Autoren: Robin Theis
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schätzen, was wir als selten empfinden. Wir wollen uns mit Menschen umgeben, deren Charakter es laut unserer Einschätzung nur einmal auf dieser Welt gibt. Wir wollen eine außergewöhnliche Liebe führen, die alle anderen Pärchen übertrifft. Wir wollen in den prunkvollsten Schlösser leben, die in Sachen Komfort alle anderen Wohnungen übertrifft. Wir wollen alle so einzigartig und verschieden wie möglich sein. Wir wollen selten sein, damit uns andere wertschätzen. Der Tod greift uns in der Hinsicht sogar unter die Arme, dass er die Bevölkerung ausdünnt und so unseren Wert steigert.“
    Frederick sah Willi verwundert an. „So wie du es formulierst, klingt es ziemlich kalt.“
    Willi griff nach der Flasche und trank einen Schluck. „Sobald man diese Welt verstanden hat, wirkt alles um einiges kühler.“
    „Da lob ich mir Björn“, eröffnete Frederick plötzlich. „Er ging mit dem Tod seiner Oma viel positiver um.“
    „Wie kommst du jetzt darauf?“, fragte Willi überrascht.
    Frederick kramte in seiner Anzugshose, die er sich extra für diesen Anlass gekauft hatte, wobei es aber nur bei einer Hose blieb, denn auf sein „SEI STARCK“-Unterhemd hatte er selbst bei der Beerdigung bestanden. Zum Vorschein kam ein zerknittertes Foto, welches er Willi überreichte. Willi schreckte zurück, als er auf den ersten Blick Frederick sah, wie er Björns Hals zudrückte. Es war ein Foto, das Björn in der ersten Nacht auf dem Balkon geschossen hatte. Bei genauerem Betrachten erkannte er eine schemenhafte, milchige, alte Frau im Hintergrund.
    „Ist das der Geist seiner Oma?“, fragte Willi.
    „Unheimlich“, sagte Frederick.
    „Die Fotos kann man doch heutzutage auch bearbeiten.“
    „An der Sache stimmt einiges nicht. Er hatte keinen Schimmer, wo ich wohne, dennoch lag das Foto heute morgen in meinem Briefkasten.“ Frederick lächelte. „Jedenfalls freut es mich für den armen Irren. Er hat immer daran geglaubt, dass seine Oma irgendwie noch in dieser Welt existiert und siehe da: Er hatte Recht.“
    „Gruselig ist es trotzdem.“
    „Wir können auch bald anfangen mit Geistern zu reden“, sagte Frederick. „Wenn hier bald alle abhauen, bleibt ja sonst niemand übrig.“
    „Hat sie sich bereits entschlossen zu gehen?“
    Frederick nickte betrübt. „Das weißt du nicht? Leider hat Lüc bereits gestern die Koffer gepackt. Sie scheint ja wirklich nicht mehr mit dir zu reden.“
    „Teilweise verständlich, dass sie von mir und Blutwäldchen die Nase voll hat, aber dass sie so früh abreisen will...“
    Frederick zuckte mit den Schultern. „Emma wird sie wohl auch dazu überredet haben. Die gute Frau war kaum eine Woche hier, schon wurde sie vom Kartenspieler entführt und ein Tag später stirbt ihr potentieller Schwiegersohn. Traurig, dass auch sie das Dorf verlassen möchte.“
    „Dir wird ja noch eine Nacht mit ihr bleiben“, sagte Willi augenzwinkernd.
    „Schön wär’s, alter Freund. Nach dem Leichenschmaus werden sie in das nächste Taxi steigen und in die Stadt ziehen.“
    „Heute schon?“, fragte Willi erschrocken.
    Frederick nickte. „Deswegen war ich mich vorhin schon verabschieden, bevor ich mit dem Trinken anfing. Im angesoffenen Kopf fallen mir Abschiede besonders schwer.“
    Willi sah auf die Schnapsflasche in seiner Flosse. „Das hättest du mir auch sagen können, bevor ich mir einen gegönnt habe.“
    „Ach was, du bist doch auch angetrunkenen hart wie ein Stein“, sagte Frederick lachend und klopfte Willi auf die Schultern. „Auch wenn sie nicht mit dir reden will, nutz’ die Zeit, bevor es zu spät ist.“
    Willi sah nachdenklich zum Wasser. „Ich glaube, ich bin der letzte, mit dem sie heute sprechen möchte.“
    „Mach dir kein Kopf, alter Freund. Tief im Inneren weiß sie, dass du dein Bestes gegeben hast. Mach heute einen sauberen Abschluss und lass etwas Gras drüber wachsen. Spätestens zu meinem Geburtstag werde ich sie einladen und da könnt ihr zusammen einen drauf machen und bei einem guten Schnaps das Kriegsbeil begraben.“
    „Du hast auch für alles ein Plan, oder?“, fragte Willi.
    „Kennst mich doch.“ Frederick riss die Flasche an sich. „Bin ja keiner, der für unüberlegte Entscheidungen bekannt ist.“
    Die zwei Freunde verbrachten die Zeit bis zum Abend trinkend am Steg. Im Gegensatz zu den Trauernden, die sich ausschließlich überlieferte Geschichten von Zack zu erzählen hatten, tauschten Frederick und Willi die schönsten Erinnerungen an ihren
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