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Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)

Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)

Titel: Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)
Autoren: Robin Theis
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war er in den Ländern dieser Welt unterwegs und erlebte seine Abenteuer. Sein Versuch, sesshaft zu werden, wurde letztendlich doch vereitelt.
    Die Flussströmung sollte seinen Sarg wieder zurück in die Welt tragen. Ab diesem Tag sollte er durch die Gewässer treiben und seine ewige Reise fortsetzen. Vielleicht hätte er es sich sogar so gewünscht.
    Lüc war der heimliche Mittelpunkt der Beerdigungszeremonie. Die Dorfbewohner begutachteten sie in unbeachteten Momenten. Natürlich hatte niemand von ihnen auf einen emotionalen Ausfall gehofft, dennoch waren sie etwas neugierig, wie sie sich verhalten würde. Ihre Reaktion dagegen war alles andere als dramatisch. Sie stand gefasst am Steg. Keine Träne lief ihre Wange hinunter. Im Gegensatz zu ihren Augen wirkte das kühle Wetter sogar erwärmend. Etwas in ihr war vor drei Tagen mit Zack gestorben.
    Die Zeremonie verlief relativ still. Da kein Geistlicher anwesend war, wurde auf eine Messe im klassischen Stil verzichtet. Frederick, Löckchen, Schrubbi und Bob, vier kräftige Männer stemmten den Sarg auf ein Floß und überließen Zack sanft dem Gewässer.
    Als die Strömung Zack an sich riss, war Frederick derjenige, der den lautesten Schluchzer von sich gab. Willi stand weit Abseits der Zeremonie und rauchte seine Zigarre. Als Pinguin hielt er nicht viel von der menschlichen Trauertradition, doch bei seinem engen Freund Zack machte er eine Ausnahme und sah von der Ferne aus zu. Seitdem er gegen den Kartenspieler angetreten war, quälte ihn die Verantwortung für drei Tode.
    Einmal brachte er den Kartenspieler in’s Grab, einen jahrelangen, treuen Freund, der ihm bis zuletzt nicht allzu unähnlich war.
    Dazu musste er sich Zacks Tod zuschreiben. Hätte er die Kraft gehabt, den Kartenspieler bereits vor einem Jahr auszuschalten, wäre Zack noch am Leben.
    Der dritte Tod war Lücs Gefühlsleben, auf dessen temporären Tod er ebenfalls die Schuld auf sich nahm. Gerade der Person, die er am wenigsten verletzten wollte, hatte er einen Pflock in ihr Herz gerammt.
    War er, nach dem Tod des berüchtigten Kartenspieler, nicht das größte Monster, das noch frei rumlief? Hatte er nicht alles Schlechte dieser Welt beseitigt, außer sich selbst?
    Fragen über Fragen, die ihn quälten. Das Leben eines Pinguins war viel zu kurz, als dass er noch so viel Schuld reinwaschen könnte. Die Schuld würde ihn nie mehr aus ihrem eisernen Griff lassen. Während der Kartenspieler zum guten Schluss das Monster in sich bezwingen konnte, blieb Willi zurück. Das Monster in ihm war allgegenwärtig. Im Gegensatz zu dem Kartenspieler hatte er keinen mehr, mit dem er dieses Gefühl teilen konnte. Diejenige, von der er glaubte, sie könnte ihn eines Tages verstehen, sollte sich von ihm entfernen.
    Seine Strafe war kein unbarmherziger Tod, sondern Einsamkeit.
    Eine Stunde später hatten sich die Trauernden an Schrubbis Imbiss getroffen, nicht weit entfernt von Blutwäldchens Steg. Bei Kranzkuchen und Kaffee saßen sie zusammen und tauschten die schönsten Erinnerungen an den verschwiegenen Revolvermann Zack aus. An den meisten Tischen erzählten sie von Zacks Heldengeschichten, in denen er als unerschrockener Held seinen Feinden gegenübertrat. Ja, an den meisten Tischen wussten sie nicht einmal, wer er wirklich war. Sie kannten weder seinen richtigen Vornamen oder konnten sich an den Klang seiner Stimme entsinnen.
    Willi hatte sich von diesen Tischen entfernt, um seine Nerven zu schonen. Er saß wie so oft am Steg und ließ seine Krallen über dem Wasser baumeln.
    Daneben saß Frederick mit einer Flasche „Theison“-Schnaps, die zwischen den zwei rotierte.
    „Da sitzen wir nun“, sagte Willi. „Trauern erneut um einen Freund und spülen unsere Trauer runter.“
    Frederick nahm einen großen Schluck und schluchzte. „Ich bin es leid, Freunde zu verlieren. Sag mir, warum müssen wir das mitmachen? Warum müssen Menschen überhaupt sterben?“
    „Würden wir das Leben ohne den Tod überhaupt wertschätzen?“, fragte Willi.
    „Ich würde es“, seufzte Frederick und trank einen weiteren Schluck. „Ich würde es noch mehr wertschätzen, wenn mir meine Freunde nicht ständig vom Tod weggenommen werden.“
    „Laut der Theorie eures Geldsystems verliert alles an Wert, was es in Fülle gibt“, überlegte Willi. „Würden wir uns überhaupt noch jeden Tag sehen, wenn du abertausende andere Freunde hättest? Unsere Familie bestünde aus abertausenden Verwandten. Leider können wir nur das
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