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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1
Autoren: Marion Chesney
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ganz verwirrt. Er war ein richtiger Mann vom Land. Für ihn waren
Insekten Insekten, Vögel waren Vögel, Tiere waren Tiere. Sie liefen nicht umher
und erteilten weise Lehren. Aber etwas wollte er doch wissen.
    »Die Ameise
da in deiner Geschichte«, fragte er vorsichtig. »Sie sagte doch zur Grille,
sie solle weggehen und singen und tanzen, als das arme Lu ..., mit Verlaub,
gnä' Frau, ich meine Insekt, um eine kleine Hilfe bat?«
    »So ist
es«, sagte Sir Edwin selbstgefällig.
    Der Pfarrer
schüttelte verwundert den Kopf und stärkte sich mit einem neuen Glas Wein.
    Dann
glaubte er, verstanden zu haben, und seine Miene hellte sich auf.
    »Jetzt hab'
ich's, das sind griechische Ameisen«, sagte er triumphierend. »Keine
britischen. Eine britische Ameise wäre niemals so geizig.«
    »Das ist ja
wohl der Gipfel des Unsinns«, rief Lady Edwin aus.
    »Ich bin
ganz Ihrer Meinung«, sagte der Pfarrer. »Um auf meine Angelegenheit
zurückzukommen ...«
    »Was ich
versuche, dir klarzumachen, Bruder, ist die Tatsache, daß wir für unsere
Töchter Vorsorge getroffen haben. Sie bekommen beide eine sehr hohe Mitgift und
werden eine gute Partie machen; und das Vermögen, das sie erheiraten, kommt
noch zu unserem Vermögen hinzu. Ich glaube, ich muß es dir überlassen, den
Folgen deiner eigenen Dummheit ins Auge zu sehen. Falls du jedoch erwägen
solltest, deine Meute zu verkaufen ...?«
    »Niemals!«
empörte sich der Pfarrer.
    »In diesem
Fall, Bruder, wenn du fertig bist ...?«
    Der Pfarrer
erhob sich und raffte all seine Würde zusammen.
    »›Was
siehest du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des
Balkens in deinem Auge?‹«
    »Mein
lieber Charles ...«
    »Matthäus,
Kapitel sieben, Vers drei«, sagte der Pfarrer und stülpte sich seinen Hut über.
»Ich wünsch' euch einen guten Tag.«
    Lady Edwins
halb erstickte Stimme verfolgte ihn bis in die Vorhalle. »Dieser abscheuliche
Mensch erinnert sich nur dann einer Bibelstelle, wenn er Unverschämtheiten von
sich gibt.«
    Der Pfarrer
ritt in düsterer Stimmung aus dem Herrenhof in Richtung der ›Sechs
Fröhlichen Bettler‹. Ihm war nicht nach Gesellschaft zumute, und so setzte
er sich mit seinem Glas Punsch
auf die leere, kalte Bank vor dem Gasthaus.
    Er hatte
das Gefühl, daß er beten sollte, aber er stellte fest, daß es ihm nicht möglich
war. Wenn er irgendwo anders als beim Jagen betete, stellte er sich Gott vor
mit einem langen Bart und struppigen Augenbrauen, der oben in den Wolken ganz
einfach darauf wartete, daß seine Aufmerksamkeit auf einen Sünder gelenkt
wurde, um diesem noch mehr Schande und Tadel hinuntersenden zu können.
    Der Pfarrer
dachte statt dessen lieber an seine große Kinderschar. Abgesehen von den
bereits erwähnten Zwillingen und der elfjährigen Frederica, waren da noch
Diana, zwölf, Daphne, dreizehn, Deirdre, vierzehn, Annabelle, sechzehn, und
Minerva, neunzehn.
    Minerva war
die ›Mutter‹ des Pfarrhaushaltes. Mrs. Armitages Hauptbeschäftigung war
es nämlich, kränklich zu sein. Sie lag den ganzen Tag auf dem Sofa im Salon des
Pfarrhauses, umgeben von Medizinfläschchen und Puderdöschen.
    Verärgert
grübelte der Pfarrer über Josephine und Emily nach. Sie haben es wahrhaftig
nötig, reich zu sein, damit jemand sie heiratet, dachte er bitter. Ganz im
Gegensatz zu Minerva, zum Beispiel. Sie war eine kleine, zarte Schönheit. Ein
bißchen herb. Ein bißchen streng. Aber trotz allem eine Schönheit. Tja! Die
könnte ohne Mitgift heiraten!
    Das Eis auf
dem Dorfweiher schimmerte matt in der Sonne. Der Pfarrer hatte den Eindruck,
daß er drauf und dran war, eine Lösung zu finden.
    Er war kein
passionierter Spieler. Einmal hatte er in Newmarket eine sehr hohe Summe auf
ein Pferd gesetzt, das auf der Rennbahn drei Yards zurückgefallen war; und
seitdem hatte er nur noch gelegentlich und vorsichtig kleine Summen bei diesen
Pferderennen, die einen so in Rage bringen konnten, eingesetzt.
    In Gedanken
versunken, saß er da, trank seinen Punsch und wartete auf die Eingebung, die
irgendwo in seinem Kopf
bereits im Keim angelegt war, um sich zu voller Blüte zu entfalten. Eine
schwarze Wolke verdunkelte die Sonne, und mit ihr verschwanden auch die
Hoffnungen des Pfarrers auf eine Lösung.
    Sein Magen
knurrte. Minerva verwaltete das Haushaltsgeld, was bedeutete, daß die
Mahlzeiten im Pfarrhaus zwar nahrhaft waren, aber selten besonders aufregend.
Der Pfarrer beschloß, Squire Radford zu besuchen und sich bei ihm zum
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