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Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition)
Autoren: Friedrich Strassegger
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und Julia stichelte weiter.
    »Kannst
du ihr nicht einmal ins Gewissen reden? Die bringt uns noch alle ins Gefängnis.
Ich weiß zwar nicht alles, aber das was ich weiß, genügt mir.«
    »Setz
dich an den Tisch … der Apfelstrudel ist fertig.« Schweigend tranken sie Kaffee
und aßen den warmen Strudel.
    »Du
bist mir noch eine Antwort schuldig«, gab Julia nicht nach. Hans rührte den
Kaffee schon über Gebühr lange und starrte dabei in die Tasse. Endlich schwang
er sich auf und begann zu reden. Seine Stimme klang gepresst, man hörte, er
sprach unter einem gewissen Druck. »Du weißt, ich bin kein Freund langer Reden,
jetzt aber muss ich doch weiter ausholen.«
    »Ich
höre dir gern zu … wie lange es auch immer dauert.« »Gut … drehen wir das Rad
der Zeit weit zurück …«

 
    Raab
/ Ödenburger Eisenbahnstrecke, Sommer1952
    Ein
ungewöhnlich heißer Sommer neigte sich dem Ende zu. Die Bauern brachten ihr
Groamad ― (Grünmaht) in die Scheune und Mähdrescher ernteten die Felder ab. Der Tag war
drückend schwül. Fliegen, Gelsen und sonstiges Insektenzeug malträtierten
Mensch und Tier. Ein Gewitter lag in der Luft. Doch noch war der Himmel
wolkenlos. Für die Kinder war die letzte Woche der Sommerferien angebrochen.
Den Zwillingen, Nora und Julia, stand der erste Schulbesuch ins Haus.
    Eine
schwere 52er Dampflok keuchte unter ihrer Last. Über 50 Kohlewaggons hatte sie
im Schlepptau und die Strecke stieg einige Promille an. Dunkler Rauch und
glosende Funken quollen aus dem Schornstein der Lokomotive. Einer dieser Funken
entzündete das dürre Gras am Bahndamm.
    Kinder
spielten mit Begeisterung Feuerwehr und versuchten brennende Grasbüschel zu
löschen, indem sie mit den Füßen nach den Flammen traten. Andere wiederum
betätigten sich als Brandstifter und trugen das Feuer weiter. So war das aufregende
Spiel beinahe unendlich. Das letzte Glutnest war erloschen. Die Zwillinge, mit
leuchtend roten Haaren, stapelten neben den Gleisen Schottersteine zu einer
Pyramide. Die Mädchen waren so in ihr Spiel vertieft, dass sie alles um sich
vergaßen. Weder sahen noch hörten sie den herannahenden Zug. Hans Gruber, der
am nahen Waldrand Brennholz hackte, erkannte die Gefahr und schrie so laut es
ihm möglich war: »Kommt her, ein Zug!«, während er auf die Kinder zulief. Doch
die Zwillinge reagierten nicht. In diesem Moment sah der Lokomotivführer die
beiden Mädchen und leitete eine Vollbremsung ein. Gleichzeitig stieß die Lok
einen schrillen Pfiff aus.
    Erst
jetzt erhoben sich die Kinder und erkannten die Gefahr. Hans war sich nicht
sicher, ob es Absicht oder Aufregung war, die Noras Reaktion auslöste. Auf
jeden Fall wäre noch genug Zeit gewesen, um von den Gleisen weg zu laufen. Nora
aber schubste ihre Schwester. Für Hans, der noch ein gutes Stück entfernt war,
sah es so aus, als habe Nora ihre Schwester absichtlich auf den Gleiskörper
gestoßen. Julia stolperte erschrocken über die Schienen. Der Zug kam
erschreckend schnell näher. In letzter Sekunde versuchte sie von den Gleisen zu
springen – zu spät. Die Lok erfasste das Mädchen. Auch Hans kam zu spät. Er
stand hilflos auf der anderen Seite des Güterzuges, der endlich zum Stillstand
kam.
    Was
in diesen Momenten in Noras Kopf vorgegangen war, wusste nur sie. Möglich, dass
sie in der Aufregung falsch reagiert hatte. Manchmal, wenn Nora sich
unbeobachtet geglaubt hatte, hatte sie Julia gern geärgert oder geneckt, ob es
nur Spiel oder Bösartigkeit war, darauf hatte Hans nicht geachtet. Doch es gab
ihm im Nachhinein zu denken. Hans sprach Nora deswegen nicht an. Sie stand
unter Schock. Hans hatte später das untrügliche Gefühl, dass Nora sich an
diesem Unglück die Schuld gab – aber sie sprach es nie aus.
    Julia
lag da wie gelähmt. Sie lebte, war bei Bewusstsein, klagte nicht über Schmerzen
und weinte nicht. Ein Jeep, in dem ein sowjetischer Major der Besatzungsmacht
mit seinem Fahrer saß, hielt an und brachte das Kind ins Militärkrankenhaus der
Roten Armee nach Hainburg. Dort musste man Julia den linken Unterschenkel knapp
unter dem Knie und den rechten oberhalb des Knöchels amputieren. Neben den
körperlichen Verletzungen hatte sie zusätzlich ein schweres Trauma erlitten.
Sie konnte sich später nicht an das Unglück erinnern. Nora schloss sich in
einem Weinkeller ein. Hans fand sie dort erst spät am Abend.
    Die
Frau, bei denen die elternlosen Flüchtlingskinder untergebracht waren, berührte
all dies scheinbar nicht. Die von
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