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Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition)
Autoren: Friedrich Strassegger
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breitrandigen Hut verdeckt, eine
Hornbrille auf dem Näschen und einer aufregend weiblichen Figur, die nicht nur
Männer zum Schwärmen verführte.
    Sie
trug einen hochgeschlossenen champagnerfarbenen Kaschmirpullover (exakt zum Hut
passend) und ein braunes Cavalli-Kostüm mit einem breiten Ledergürtel. Die Overkneestiefel
mit High Heels und die Handtasche waren aus demselben Material - als ob sie
soeben einem Catwalk entstiegen wäre. Das Blitzen und Surren der Kameras
begleitete sie vom Bürgersteig der Elßholzstraße bis zu ihrem Platz im
Gerichtssaal. Von ihren Anwälten nahm die Presse vorerst keinerlei Notiz.
    Der
Senatspräsident, sein linkes Augenlid hing etwas, sodass man den Eindruck
hatte, er trüge ein Monokel, thronte unnahbar auf seinem erhöhten Stuhl und
hatte alle Mühe, die aufgeregte Meute im Saal zu bändigen. Die rote Nora war
eben eine ganz seltene Augenweide - das bestätigten Feind und Freund gleichermaßen.
Mit einem kurzen Augenaufschlag konnte sie männliches Blut zum Wallen bringen.
Über den Gegenstand der Klage, wem das in Österreich und der Schweiz angelegte
Vermögen gehörte, vermochte der Prozess keine Klarheit zu schaffen. Die rote
Nora behauptete, sie verwalte Anteile und sonstiges Vermögen treuhändig für die
kommunistische Partei Österreichs und sehe keine Veranlassung, darüber Auskunft
zu geben. Die Zeugin gab dem Gericht weder über die Höhe der Gelder Auskunft,
noch darüber, wo sich diese befanden. Immobilien, Gesellschaftsanteile und
Firmenbesitz waren bekannt. Die Vermutungen über das Barvermögen schwankten
zwischen einer halben und vier Milliarden DM. Nora ließ diese Gerüchte
unkommentiert, ihre Antworten fielen knapp aus. Die Androhung einer Beugehaft
durch den Rechtsanwalt der Klägerin ließ Nora Kaindel mit der ihr eigenen
Gelassenheit über sich ergehen. Lediglich die linke Augenbraue hob sie leicht
an und brachte so ihre Verwunderung über dieses absurde Ansinnen zum Ausdruck.
    Eine
der Kernfragen des Verfahrens, wem die österreichische Firma NOVUM letztendlich
tatsächlich gehörte, wurde nicht geklärt. Nora blieb bei ihrem Standpunkt. Die
NOVUM, deren alleinige Geschäftsführerin und im Firmenbuch ausgewiesene
Gesellschafterin sie war, gehöre nicht ihr, auch nicht der SED, sondern der
Kommunistischen Partei Österreichs. Einen entsprechenden Treuhandvertrag hatte
sie gleich mitgebracht - in Kopie.
    Auf
die Frage des Richters nach dem Original und warum die Unterschriften nicht
beglaubigt seien, erteilte Nora Kaindel dem Gericht eine Rechtsbelehrung. »Aus
allgemein verständlichen Gründen verbleibt das Original stets beim
Treuhandgeber, der ja sein Eigentum schützen und damit verbundene Rechte
durchsetzen muss. Eine Beglaubigung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Da
frage ich mich wirklich: wozu also dieser unnötige bürokratische Aufwand, Herr
Vorsitzender?«
    Die
Presse schmunzelte, das Gericht war pikiert. Noras Anwälte amüsierten sich
unverhohlen, während das Monokelauge des Vorsitzenden mehrmals zuckte. Die
Kläger hatten, neben schlechteren Karten im Verfahren, auch den Spott der
Galerie zu ertragen.
    Nach
Stunden ging die sündhaft teure Camouflage mit einem Beschluss auf Vertagung zu
Ende. Insgesamt war die Ausbeute der Tagsatzung mager, von ein paar Lachern
abgesehen. Ein Resultat war doch noch zu vermelden. Der Antrag auf einstweilige
Verfügung, die Konten zu sperren, wurde abgewiesen.
    Die
versinnbildlichte Wollust verließ das Kammergericht. Nur ein Geheimnis hatte
die Tagsatzung gelüftet: Nora war nicht, wie immer gemunkelt wurde, um die
dreißig, sie war vierundvierzig Jahre alt. Als der Richter ihre Personalien
abfragte, hatte sie sich keine Sekunde geziert, ihr Geburtsdatum zu nennen.
Dieses Eingeständnis konnte sich die Zeugin fraglos leisten.

 
    Wien
/ Wolfsthal, am selben Tag
    Das
schlossartige Gebäude bei Wolfsthal war liebevoll restauriert, mit
schönbrunngelber Farbe gestrichen und wurde in der Dunkelheit von
Halogenscheinwerfern angestrahlt. Das Schlösschen gehörte der Touröl GmbH, Nora
und ihre Schwester besaßen jedoch das lebenslange Wohnrecht.
    Während
Nora im Berliner Kammergericht Richter und Gegenanwälte vorführte, buk Stiefvater
Hans einen Kuchen und Julia war bei ihm in der Küche.
    »Ich
kann die Nora nicht verstehen. Täglich kommen neue Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten
dieser Leute von der Stasi ans Tageslicht und sie fliegt nach Berlin, um denen
in den Hintern zu kriechen.« Hans schwieg
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