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Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition)
Autoren: Friedrich Strassegger
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damals in
seiner Eigenschaft als stellvertretender Minister verschiedene Vollmachten
unterschrieben. Der kleinwüchsige Notar begrüßte den General wie einen alten
Bekannten mit Handschlag und einem jovialen: »Wie läuft es in Berlin?«
    Es
ging leider gar nicht gut in Berlin, zumindest was die Fraktion Fiedlers
betraf. Mitarbeiter des MfS waren derzeit nicht hoch im Kurs und standen
vorwiegend auf der Straße oder auf den Fahndungslisten. Die Staatssicherheit
war jetzt nach der Wende an allem schuld. Gleichgültig ob am Bananenmangel, den
Reisebeschränkungen oder am kommerziellen Kollaps.
    »Wir
strukturieren um … deswegen bin ich hier, Herr Notar.«
    »Dann
wollen wir sehen, wo ich helfen kann.« Fiedler räusperte sich und trug die sorgfältig
gewählten Worte vor.
    »Sehen
Sie, Herr Bouvery, ich war mit den Ministern Mielke, Mittag und
Schalck-Golodkowski bei Ihnen. Wir haben verschiedene Unterlagen in Verwahrung
gegeben. Um diese Dokumente geht es, wir brauchen sie - dringend.«
    Bouvery
nickte kurz und meinte: »Gut. Wo liegt das Problem?«
    »Wie
Sie wissen, sind die drei genannten Herren aus unterschiedlichen Gründen aus
Ihren Ämtern ausgeschieden und wir haben vereinbart, dass mindestens zwei davon
erscheinen müssen, um die Unterlagen zu erhalten, oder deren Nachfolger in der
Regierung. Darin liegt unser Problem. Sie wissen doch sicherlich um unser
Verhältnis zur neuen Regierung.«
    Der
Notar nickte, schürzte seine Unterlippe nach außen, legte die Stirn in Falten
und meinte nach kurzer Überlegung: »Mir ist die Lage der neuen Regierung in
Ost-Berlin bekannt. Es sind alle Mitglieder der Regierung angelobt.
Selbstverständlich sind die Nachfolger der vorhin genannten Herren autorisiert,
über diese Unterlagen zu verfügen. Da bestehen aus juristischer Sicht überhaupt
keine Zweifel. Natürlich ist mir ihr Problem klar - doch es war damals der
ausdrückliche Wunsch, dass die Angelegenheit so gehandelt wird.«
    Der
General entschloss sich zu einem Frontalangriff.
    »Herr
Notar, Sie sehen sich nicht in der Lage, oder besser, sind nicht willens, mir
die Dokumente auszufolgen?«
    »Ich
bitte Sie, Herr General! Wie könnte ich? Sie selbst waren anwesend, als die
Usancen vereinbart wurden, unmöglich, völlig undenkbar! Nur die amtierende
Regierung kann derzeit über das Konvolut verfügen. Wie schon gesagt, die DDR
ist verfügungsberechtigt. Wenn sie mir eine beglaubigte Vollmacht der Regierung
vorlegen, dann könnte ich Ihnen die Unterlagen ausfolgen. Die Urkunden wurden
als rechtmäßiges Eigentum der DDR bezeichnet und hinterlegt - im Prinzip - es
sind aber gleichzeitig die SED und die Physikalische Gesellschaft als
Hinterleger genannt. Das Verfahren in Berlin wird diesbezüglich Klarheit
schaffen. Bis dahin ist nach Schweizer Recht die Regierung der DDR
verfügungsberechtigt. Deswegen habe ich die BRD noch nicht verständigt.«
    Weder
die amtierende Regierung in Berlin noch jene in Bonn wussten etwas von diesen Akten
und das sollte nach Fiedlers Willen auch so bleiben.
    »Es
gäbe allerdings eine Möglichkeit«, lenkte Bouvery ein, dem die Lage Fiedlers
klar war. Mit dem politischen Super-Gau des Mauerfalls und diesen Folgen hatte
niemand im Politbüro gerechnet, nicht im Jahre 1984, als sie bei ihm
vorgesprochen hatten.
    »Der
Botschafter der DDR in Bern. Er ist ein akkreditierter Vertreter der Regierung
in Berlin, ihm könnte ich auf sein Ersuchen die Akten ebenfalls aushändigen,
weil er, juristisch gesehen, allein die Regierung vertreten kann. Es tut mir
leid, mein lieber Herr Fiedler, aber einen anderen Weg gibt es nicht. Ich würde
mich strafbar machen und zudem für einen Schaden persönlich haften!«
    Der
Gedanke an Letzteres war dem Notar offensichtlich ein Graus. Daran wollte er
nicht einmal denken. Der General analysierte die Lage, während der Notar
fortfuhr:
    »Nicht
nur deswegen ist dieses Verfahren in Berlin so kompliziert und wird lange
dauern. Das ist ein Grund, warum ich den Prozess mit Aufmerksamkeit verfolge.
Ich bin Notar, das bedeutet, dass ich ein Abgeordneter der Justiz bin. Ich kann
nicht wie ein Rechtsanwalt innerhalb eines Ermessensspielraumes agieren. Das
sind nun einmal Kriterien, die wir nicht vom Tisch fegen können, lieber Herr
Fiedler.« Fiedler versuchte erst gar nicht, den Notar mit Geld zu korrumpieren.
Sein Zorn war ihm anzusehen, doch er beherrschte sich.
     
    Stunden
später war Fiedler in Bern. Äußerlich hatte sich an der Botschaft der DDR
nichts geändert.
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