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Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition)
Autoren: Friedrich Strassegger
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und die Konsequenzen, die
man daraus, hauptsächlich in ökonomischer Hinsicht, ziehen musste. Die
Meldungen überschlugen sich beinahe täglich und niemand konnte sagen, was das
Morgen bringen würde. Nach wenigen Minuten war Nora bewusst, dass die DDR vor
dem wirtschaftlichen Kollaps stand und jeder nach dem Motto handelte: Rette
sich, wer kann.
    Sie
trug jetzt eine schwere Verantwortung, denn schließlich war sie Treuhänderin
für einen beträchtlichen Teil des Vermögens der SED und der Kommunistischen Partei
Österreichs, die nunmehr auch in den Strudel der Ereignisse hineingezogen
wurde.
    Sie
verwaltete ein Milliardenvermögen und niemand wusste, wie lange es den
Eigentümer dieses Vermögens noch geben würde und erst recht nicht, wer der
Rechtsnachfolger werden sollte - die Wiedervereinigung war, wenigstens
vordergründig, noch kein Thema. Darüber hinaus verwahrte Nora Kaindel in ihrem
Safe auch ein beträchtliches inoffizielles Vermögen in Form von Sparbüchern.
Woher diese riesigen Beträge stammten und wem sie rechtmäßig gehörten, darüber
wollte Nora aus guten Gründen nicht spekulieren. Im Hinterkopf ahnte sie
jedoch, dass diese Gelder abgezweigt worden waren. »Was soll denn mit den Sparbüchern
geschehen? Soll ich sie nach Berlin bringen?«
    Fiedler
stützte sein Kinn mit der linken Hand ab und fuchtelte mit der anderen planlos
herum. Er, der General, der es gewohnt war, klare und präzise Anweisungen zu
geben, der immer wusste wo es lang ging, war von den Ereignissen des 9.
November überrascht worden. Die sich täglich ändernde politische Lage überforderte
ihn eklatant. Fiedler steuerte nicht mehr wie gewohnt, er war ein Getriebener.
Nichts mehr unterlag der bislang fixen Gesetzmäßigkeit, die von der Partei
bestimmt wurde. Der Mann war konfus und gereizt.
     »Nein,
auf keinen Fall … außerdem brauchen wir die Sparbücher, wenn wir sie
realisieren wollen, ohnehin in Österreich … vielleicht sollten wir überhaupt
das Bargeld irgendwo verwahren … ich muss darüber nachdenken. Wo sind die
Bücher jetzt?«
    »Im
Safe.«
    »Und
wo ist dieser Safe?«
    »In
meinem Büro in Wien.«
    »Wer
hat Zugang?«
    »Nur
ich«, log Nora und verschwieg, dass auch ihre Zwillingsschwester Julia
jederzeit an den Geldschrank konnte. Fiedler hätte vermutlich einen Wutanfall
bekommen, wenn sie ihm diese Tatsache mitgeteilt hätte. Heute. Vor ein paar
Wochen hätte er diese Frage nicht einmal gestellt. Doch die neuen Zeiten
stellten alles auf den Kopf.

 
    Berlin,
Januar 1990
    Schneeflocken
wirbelten vom Himmel, legten sich sanft auf die Erde und nach einer Stunde lag
eine weiße Decke auf der wiedervereinigten Stadt. Friede schien einzukehren,
doch der Schein trog. Der größte politische Umbruch seit Langem fegte über den
Kontinent hinweg. Die alten Seilschaften kauerten sprungbereit in den
Startlöchern und kochten ihr eigenes Süppchen, während die erfahrenen
Kapitalisten wie Aasgeier über den »befreiten Ländern« kreisten.
    Die
sozialistischen Machthaber von gestern wandelten sich zu Schiebern und
Heuschrecken von Morgen. Andere blieben gleich ungeniert im politischen
    (Geld-)
Geschäft. In einem Jahr würde das Wort von der Vereinigungskriminalität
geflügelt sein. Zu jener Zeit herrschten nicht nur in Friedrichsfelde
Turbulenzen, sondern ganz Europa war in Aufruhr. Die physikalische Gesellschaft
der DDR residierte in einem unscheinbaren Gebäude. Tatsächlich war diese
wissenschaftliche Gesellschaft eine Dependance des MfS. Die Stasi war in
Auflösung begriffen - ihre Methoden überstanden diese Maßnahme jedoch schadlos.
Im Moment fand eine Versammlung im kleinen Rahmen statt. Die Stimmung war
ebenso aufgeheizt wie die Raumtemperatur. Honecker und Mielke darbten im Knast.
Derzeit war nicht absehbar, wer aus dem Kreis des MfS ihnen dort bald
Gesellschaft leisten würde. Täglich überschlugen sich die Ereignisse. Die
letzten Wochen bescherten der vormaligen DDR-Elite ein unvorstellbares Desaster.
    In
diesen unsicheren Zeiten verkündete Stasi-General-major Dr. Heinz Fiedler
seinen Mitstreitern eine Art Tagesbefehl - Thema: (pekuniäre) Eigensicherung.
    Eine
Fliege zog laut summend ihre Runden durch den Raum, sodass der General mit
seinen Appellen, die Partei und den Sozialismus trotz Umbruch weiterhin
hochzuhalten, kurz innehielt.
    Währenddessen
setzte sich in den Köpfen der Zuhörer ein Prozess in Bewegung, der vor Kurzem
noch unvorstellbar gewesen wäre. Erste Anzeichen von Ungehorsam keimten
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