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Miles Flint 03 - Die Tödlichen

Miles Flint 03 - Die Tödlichen

Titel: Miles Flint 03 - Die Tödlichen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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ihres Lebens erfreut. Ihr Einkommen erzielte sie nicht mit ihrer Musik, sondern mit der Jazzbar, die ihr im berühmten French Quarter gehörte.
    Flint hatte Carolyn sogar einmal gefragt, ob ihr dieses stille, neue Leben im Vergleich zu all der Gewalt in ihrem alten Leben gefallen würde, und sie hatte nachdenklich gelächelt.
    Wer denkt, N’ahlins sei still, hatte sie gesagt, kann nicht viel Zeit dort verbracht haben.
    Und das hatte Flint auch nicht. Er hatte viel mehr Zeit in Florida und Mississippi als in New Orleans verbracht, als er den merkwürdigen Spuren gefolgt war, die ihn beständig im Kreis geführt hatten, bis er erkannt hatte, dass er auf falsche Spuren hereingefallen war, die jemand bereits vor Jahrzehnten ausgelegt hatte. Einen Teil seiner Verwirrung verdankte er der Tatsache, dass er nie zuvor auf der Erde ermittelt hatte, und diese Erde hatte ihn mit ihrer Vielfalt in tiefe Verwunderung gestürzt – einer Vielfalt, auf die ihn nichts hatte vorbereiten können.
    Flint hatte beinahe zwei Wochen gebraucht, bis er seinen Kulturschock weit genug überwunden hatte, um effektiv zu arbeiten. Keiner der vielen Orte, die er im Zuge seiner Ermittlungen besucht hatte, hatte ihn so aus der Fassung gebracht wie seine eigene, leuchtend blaue und grüne Heimatwelt, der Ort, von dem er einst gedacht hatte, er würde ihn nur in seinen Träumen besuchen können.
    Flints Armbanduhr piepte. Noch fünf Minuten bis zur Ankunft von Carolyns Eltern. Flint positionierte sich am Fenster und aktivierte seine Spionageausrüstung – Geräte, die er früher an diesem Nachmittag installiert hatte. Sie würden es ihm ermöglichen, die Straßen um den Pub herum, den Pub selbst und die Treppe im Auge zu behalten.
    Er stellte eine schmale Scheibe auf die Fensterbank und drückte mit dem Finger auf die Mitte der Scheibe. Sein faltbarer Monitor wurde ausgefahren und zeigte die Bilder der diversen Überwachungskameras in winzigen Quadraten auf dem Schirm an.
    Carolyn faltete die Hände im Schoß, behielt aber die Füße fest und sicher auf dem Boden. Die meisten Leute hätten sie unter den Stuhl gehakt oder übereinander geschlagen, aber Carolyn wusste offensichtlich, dass sie sich in einer Situation befand, in der sie sich möglicherweise sehr schnell in Bewegung setzen musste, und dass dann jede Sekunde zählte.
    Carolyn verlagerte ihr Gewicht ein wenig. »Ich frage mich allmählich, was ich eigentlich hier mache.«
    Flint fragte sich, was wirklich in ihr vorging. Carolyn hatte ihre Eltern seit mehr als fünfunddreißig Jahren nicht mehr gesehen – eine Tatsache, die sowohl als Alarmsignal als auch als Ermutigung funktionierte. Das Alarmsignal schien nur logisch zu sein: Wer würde schon nach all dieser Zeit alles für ein Wiedersehen aufs Spiel setzen? Die Ermutigung speiste sich aus anderen Umständen.
    Flint hätte alles dafür gegeben, seine Tochter wieder zu sehen – und sei es auch nur für fünf Minuten –, und sie war keine Erwachsene gewesen, als sie gestorben war. Sie hatte nicht einmal einen einzigen vollständigen Satz sauber aussprechen können, als die Mitarbeiterin der Tagesstätte sie zu Tode geschüttelt hatte. Und dennoch würde er alles geben, was er hatte, wenn er sie noch ein letztes Mal in den Armen halten könnte.
    »Sie kannten die Situation, als Sie zugestimmt haben, mich zu begleiten«, sagte Flint.
    Carolyn nickte. »Ich weiß. Es ist nur … Jetzt, wo es nur noch ein paar Sekunden dauert, bis ich sie sehe … Ich komme mir wieder vor wie achtzehn.«
    »Auch so idealistisch?«, fragte Flint.
    Carolyn lächelte. Ihr Lächeln war milde und malte einige zarte Linien in ihr Gesicht. »Nein, nicht so idealistisch«, antwortete sie. »Tatsächlich glaube ich nicht, dass das noch möglich wäre.«
    »Sie müssen nicht mit ihnen gehen, wissen Sie?« Das hatte Flint ihr auch schon früher gesagt. Carolyn war sich über ihre Möglichkeiten im Klaren. Sie hätte beschließen können, in New Orleans zu bleiben, auch wenn Flint ihr nichts dergleichen empföhlen hatte. So vorsichtig er auch sein mochte, er hatte dennoch eine Spur hinterlassen, sodass auch jemand anderes sie finden könnte. Und da Carolyns Akte nun sauber war, konnte sie ebenso gut an einem anderen Ort ein neues Leben beginnen.
    Flint hatte das Gefühl, dass Carolyn in New Orleans nicht allzu glücklich gewesen war. Ihre Ehe mit einem Mann namens Alan Taylor hatte kein schönes Ende gefunden, und sie bekam ihren Sohn nicht mehr zu sehen. Ihr war
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