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Miles Flint 01 - Die Verschollenen

Miles Flint 01 - Die Verschollenen

Titel: Miles Flint 01 - Die Verschollenen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Geschmack. Er fügte etwas gemahlenen roten Pfeffer hinzu, probierte einen weiteren Löffel voll und seufzte. Der Fleischgeschmack dominierte noch immer.
    Jamal legte den Löffel auf die Löffelbank und wischte sich die Hände am Handtuch ab. In der kleinen Küche roch es nach Knoblauch und Tomatensoße. Er hatte den Tisch mit dem Porzellan eingedeckt, dass Dylani von der Erde mitgebracht hatte, und ihre beiden kostbaren Weingläser hervorgeholt.
    Nicht, dass sie heute Abend irgendetwas zu feiern gehabt hätten. Sie hatten schon seit langer Zeit nichts mehr zu feiern gehabt. Keine Höhepunkte, keine wirklichen Tiefpunkte.
    Jamal gefiel es so – die Beständigkeit des Alltags. Manchmal durchbrach er die Alltäglichkeiten, indem er den Tisch deckte und die Weingläser hervorholte, und manchmal ließ er sich einfach von der täglichen Routine treiben. Er war an Veränderungen nicht interessiert.
    In seinem Leben hatte es genug Veränderungen gegeben.
    Dylani kam aus dem Schlafzimmer, und ihre nackten Füße hinterließen winzige Abdrücke auf dem gestampften Lehmboden. Das Haus bestand aus Mondlehmstein, vermauert auf einem Permaplastikrahmen. Billig, aber mehr konnten sie sich nicht leisten.
    Dylani hatte ihr Haar aus dem schmalen Gesicht gekämmt. Ihre hellgrauen Augen waren rot gerändert wie stets, wenn sie von der Arbeit kam. Ihre Fingerspitzen waren schwarz von der Arbeit an der Kuppel. Wie sehr sie auch schrubben mochte, sie wurden nicht mehr sauber.
    »Er schläft«, sagte sie, und sie hörte sich enttäuscht an. Ihr Sohn, Ennis, schlief meistens schon, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam. Jamal hatte es so geplant – er hatte seine Frau gern ein bisschen für sich allein. Außerdem brauchte sie Zeit, um Druck abzubauen, ehe sie sich ihren abendlichen Gewohnheiten hingeben konnte.
    Dylani gehörte zu den Kuppelingenieuren, eine Position, die sich wichtig anhörte, aber nicht wichtig war. Sie war immer noch auf der Einstiegsebene, kümmerte sich nach wie vor um Verstopfungen in der Filteranlage und Schäden, die Außenstehende in der Nähe der Hochgeschwindigkeitsbahn angerichtet hatten.
    Wollte sie aufsteigen, würde sie jahrelang warten müssen. Ingenieure der Gagarinkuppel gingen nicht in den Ruhestand, und sie siedelten auch nicht in andere Mondkolonien um. In anderen Kolonien wurden die Kuppeln behandelt wie Straßen oder Regierungsgebäude: Sie waren schlicht etwas, das instandgehalten werden musste, nicht etwas, das ständig verbessert werden sollte. Aber Gagarins Verwaltungsrat hielt die Kuppel für vorrangig, weshalb die Ingenieure ständig an der Verfeinerung der Kuppeltechnologie arbeiteten, statt veraltete Systeme zu überholen.
    »Wie war er?« Dylani ging zum Herd und schnüffelte an der Soße. Spagetti gehörten zu ihren Lieblingsgerichten. Eines Tages würde Jamal ihr anständige Spagetti mit frischen Zutaten machen … eines Tages, sobald sie es sich leisten konnten.
    »Wie immer«, antwortete Jamal und stellte das Brot, das er gekauft hatte, in der Mitte des Tischs ab. Die Gläser würden mit Wasser aus der Flasche gefüllt werden, aber hier war es teuer genug, um als Wein durchzugehen – auf jeden Fall würden sie das Wasser nicht weniger genießen.
    Dylani schenkte ihm ein zärtliches Lächeln. »›Wie immer‹ ist keine ausreichende Antwort. Ich will alles wissen, was er heute getan hat. Jedes Lächeln, jedes Stirnrunzeln. Wenn ich schon nicht bei ihm zu Hause bleiben kann, möchte ich wenigstens alles über ihn hören.«
    Seit sie erfahren hatten, dass Dylani schwanger war, war Ennis das Zentrum ihrer Welt geworden – und der Kern von Jamals Albträumen. Er erdrückte den Jungen, und er wusste es. Ennis war jetzt zehn Monate alt – das Alter, in dem ein Kind Sprechen und Gehen lernte – und er fing an zu begreifen, dass er eine eigenständige Persönlichkeit war.
    Jamal hatte Elternratgeber gelesen. Er wusste, er sollte dem Jungen helfen, seine Individualität zu entwickeln. Aber er wollte nicht. Er wollte Ennis immer bei sich haben, in seinem Blickfeld, in seiner Obhut.
    Dylani verstand Jamals Haltung, aber manchmal konnte er ihre Missbilligung spüren. Sie hatte sich seiner Paranoia gegenüber tolerant gegeben – erstaunlich tolerant sogar, wenn man bedachte, dass ihr die Ursache vollkommen unbekannt war. Sie dachte, seine Paranoia entstamme der üblichen Heidenangst um das erste Kind, nicht der realen Sorge um Ennis Sicherheit.
    Jamal war nicht sicher, was er tun würde, wenn
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