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Miles Flint 01 - Die Verschollenen

Miles Flint 01 - Die Verschollenen

Titel: Miles Flint 01 - Die Verschollenen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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weil der die Aussicht stören und den Eindruck trüben würde, hier sei die Vergangenheit so nahe, dass man sie berühren könne.
    Ekaterina schloss die Tür schon, ehe Simon in seinen Wagen gestiegen war, um nicht zusehen zu müssen, wie er davonfuhr. Ihre Hand verweilte über dem Bedienfeld des Sicherheitssystems. Ein Kommando, und es wäre wieder an. Sie wäre sicher in ihrem eigenen Haus.
    Wenn es doch nur so einfach wäre.
    Der Geruch des Flieders überwältigte sie. Sie trat von der Tür weg und blieb erneut vor dem Spiegel stehen, der nun nur noch sie allein reflektierte. Sie und einen Strauß Flieder, an dem sie sich nicht würde erfreuen können, einen Strauß, den sie niemals vergessen würde.
    Wieder drehte sie den Verlobungsring am Finger. Er war immer zu groß gewesen, und obwohl sie ihn stets hatte enger machen lassen wollen, hatte sie es nie getan. Vielleicht hatte sie gefühlt, dass sie, seit sie auf die Erde gekommen war, von geborgter Zeit lebte.
    Der Ring glitt leicht vom Finger. Sie starrte ihn einen Moment lang an, ihn und all die Versprechen, die in ihm ruhten, Versprechen, die er nie halten würde, und ließ ihn in die Vase fallen. Jemand würde ihn finden. Nicht sofort, aber früh genug, dass er nicht verloren gehen würde.
    Vielleicht würde Simon ihn verkaufen und sich sein Geld zurückholen können. Oder vielleicht würde er ihn behalten, als greifbare Erinnerung daran, was gewesen war, so wie sie das Erbe ihrer Familie immer bewahrt hatte.
    Ekaterina verzog das Gesicht.
    Etwas raschelte vor der Tür – das Geräusch eines Fußes, der über den steinernen Boden der Veranda schlurfte, ein vertrautes Geräusch, eines, das sie nie wieder hören würde.
    Ihr Herz tat einen Satz in der Hoffnung, es wäre Simon, obgleich sie wusste, dass er es nicht war. Als sich der Türknauf aus Messing drehte, griff sie nach dem Strauß und zupfte einige Blüten von der nächsten Fliederdolde. Die legte sie in ihre Tasche und hoffte, sie würden so trocken, wie Blüten zu trocknen pflegten, wenn man sie in ein Buch legte und presste.
    Dann wurde die Tür geöffnet, und ein Mann, den Ekaterina noch nie gesehen hatte, trat ins Haus. Er war mehr als einsfünfundachtzig groß, breitschultrig und muskulös. Seine Haut war schokoladenbraun, seine Augen ein wenig matt, so wie Augen, die etwas zu oft modifiziert worden waren.
    »Stimmt das?«, fragte der Mann wie abgesprochen. »Dass dieses Haus das Erdbeben von 1906 überlebt hat?«
    »Nein.« Ekaterina hielt inne. Sie wünschte, sie könnte an dieser Stelle aufhören, wünschte, sie müsste all das nicht sagen. Aber sie fuhr fort, sprach den vereinbarten Satz aus, den sie für genau diesen Moment ersonnen hatte. »Das Haus wurde im Jahr danach erbaut.«
    Der Mann nickte. »Sie stehen furchtbar nah an der Tür.«
    »Ein Freund hat mich besucht.«
    Irgendwie kam ihr der Ausdruck seiner Augen noch matter vor als zuvor. »Ist der Freund weg?«
    »Ja«, antwortete sie und hoffte, dass es stimmte.
    Der Mann musterte sie eindringlich, als könne er allein dadurch feststellen, ob sie ihn belog. Dann berührte er seinen Handrücken. Bis zu diesem Moment hatte Ekaterina die Chips überhaupt nicht bemerkt, die seine Haut wie Sommersprossen bedeckten – sie passten perfekt.
    »Hintertür«, sagte er, und Ekaterina wusste, dass er über seinen Link mit jemandem außerhalb des Hauses sprach.
    Der Mann ergriff ihre Hand. Seine Finger fühlten sich rau an, schwielig. An Simons Händen gab es nicht eine Schwiele.
    »Ist alles bereit?«, fragte der Mann.
    Ekaterina nickte.
    »Erwarten Sie heute Abend jemanden?«
    »Nein«, antwortete sie.
    »Gut.« Der Mann zog sie durch ihre eigene Küche, vorbei an den Lebensmitteln, die sie gerade erst an diesem Morgen gekauft hatte, vorbei an der halb leeren Kaffeetasse, die sie auf dem Tisch hatte stehen lassen.
    Die Hintertür stand offen. Ekaterina schüttelte die Hand des Mannes ab und ging hinaus. Der Nebel war noch dichter als zu dem Zeitpunkt, an dem Simon gegangen war. Und kälter war er auch. Ekaterina konnte das Fahrzeug, das in der Gasse wartete, nicht sehen. Sie konnte nicht einmal die Gasse sehen. Sie war dabei, den ersten Schritt einer Reise zu tun, die sie zu einer der Verschwundenen machen sollte, und sie konnte nicht sehen, wohin sie ging.
    Wie passend. Denn sie hatte in der Tat keine Ahnung, wo diese Reise enden würde.
     
    Jamal kostete die Spagettisoße. Das rekonstituierte Rindfleisch verlieh ihr einen chemischen
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