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Milchrahmstrudel

Milchrahmstrudel

Titel: Milchrahmstrudel
Autoren: Mehler Jutta
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das.«
    Sein Bayrisch machte ein »Anerbeel« daraus.
    Fanni seufzte. Sie hatte nie begriffen, was manch eingefleischten Bayern dazu veranlasste, seinen Kindern derart unbayrische Vornamen zu geben. Zum einen, fand Fanni, passte nun mal eine Anna oder Lisa, ein Toni oder Franz besser zu Scheichenzuber, Steigelmeier oder Brezendorfer als eine Jaqueline, Nicole oder ein Pierre. Zum anderen wurden diese unkonventionellen Vornamen besonders in Niederbayern ausnahmslos verhunzt. Leni hatte in ihrer Klasse eine Tschaklinn gehabt, Vera eine Nikohl.
    »Weiß das der Max schon, dass seine Aushilfsbedienung tot in der Telefonschneise liegt?«, hörte Fanni eine Stimme fragen.
    »Wird es früh genug erfahren«, antwortete eine andere.
    »Wo kommt das Mädel denn her?«, meldete sich eine dritte. »Die Familie muss doch …«
    »Die Annabel wohnt in Zwiesel«, verkündete Rudi, »am Finkenschlag. Ihr Vater ist Fahrkartenverkäufer bei der Bahn.«
    »Die Annabel geht auf die Glasfachschule«, fügte Sepp hinzu und verbesserte sich dann leise: »Ist auf die Glasfachschule gegangen.«
    »Hat nicht vorhin einer gesagt, das Mädel bedient in der Schutzhütte?«, warf eine der Stimmen ein.
    »Bloß am Wochenende«, beeilte sich Rudi Auskunft zu erteilen. »Da hilft sie unserer Heide.«
    »Die kommt eh gerade«, rief Sepp und deutete zum Aufstiegspfad.
    Alle Köpfe – Fannis inbegriffen – drehten sich in die gewiesene Richtung.
    Heide hielt ihren knöchellangen Dirndlrock mit einer Hand gerafft, um nicht auf den Saum zu treten. Ihre Bluse leuchtete sunilweiß. Aus den mit einer Spange zusammengehaltenen platinblonden Haaren fielen ein paar Korkenzieherlocken in das großzügige Dekolleté, das wie eine Geburtstagstorte von weißen Spitzen umrahmt war.
    Die böse Stiefmutter-Königin?
    Nein, dachte Fanni. So aufgeputzt sie auch hier erscheint, Heide strahlt Wärme aus, Freundlichkeit, Wohlwollen. Ihr Outfit ist wohl eher ein Zugeständnis an die Gäste der Falkensteinhütte. Welcher Wanderer bestellt nicht gern ein zweites Bier, wenn er Heide damit an seinen Tisch locken kann?
    Als Heide an die Planke trat, bemerkte Fanni, wie schwer sie atmete.
    »Einer von den Grünzeug-Gendarmen hat beim Max angerufen«, hechelte Heide. »Er hat behauptet, dass die Anna …« Sie brach mitten im Satz ab.
    Sepp wies mit dem Daumen über seine Schulter.
    Heide blickte zu dem Felsblock, wo Sprudel neben Annabel Wache hielt. Der Ranger telefonierte noch immer.
    Fanni fragte sich, wen er wohl jetzt von dem Unglück verständigte. Max den Hüttenwirt hatte er offensichtlich schon informiert.
    Heide bekreuzigte sich.
    »Ja«, nickte Sepp, »tot ist sie. Kannst es ihm ausrichten, dem Max. Oder kommt er selber noch heraufgehumpelt auf seinen Krücken?«
    Heide schüttelte den Kopf. »Er schafft doch kaum die Strecke zwischen Tresen und Stammtisch.«
    Inzwischen bewegte sich eine Menschenkarawane von der Hütte zum Gipfelplateau.
    Fanni starrte die Leute an.
    Woher wissen sie es?, fragte sie sich, und im selben Augenblick fiel ihr die Antwort ein: Max der Hüttenwirt sprengt die Nachricht wie ein Marktschreier aus.
    Immer mehr Gaffer drängten heran – sie konnten unmöglich zuvor alle in der Hütte gesessen haben. Die in der ersten Reihe wurden ans Geländer gedrückt.
    Fanni zog sich unter eine Fichte am Ende der Planke zurück.
    Der Nationalparkranger unterbrach sein Telefongespräch, rief: »Zurücktreten!« und fuchtelte mit den Armen, als wollte er Fliegen verscheuchen.
    Die Gaffer drängelten weiter.
    Sprudel verließ seinen Posten bei Annabel, trat an die Planke und wandte sich an die Bergwachtmänner. »Wir sollten die Neugierigen fernhalten. Es könnten wichtige Spuren verwischt werden.«
    »Ah was«, entgegnete Rudi, »bist du ein Kriminaler, weil du dich so gut auskennst?«
    »Ein ehemaliger«, antwortete Sprudel knapp. »Aber muss man denn ein Kriminalbeamter sein, um zu wissen, wie wichtig Spuren am Tatort sind?«
    »Tatort«, plusterte sich Rudi auf. »Vom Stein ist sie runtergefallen, die Annabel, und hat sich das Genick gebrochen dabei. Da muss ich kein Kriminalbeamter sein, damit ich das weiß.«
    »Komm, Rudi«, mischte sich Sepp ein, »wir halten die Leute lieber auf Abstand. Das kann doch nicht schaden, wenn sich die Kripo ein unverfälschtes Bild von der Sache machen kann.«
    Unverfälschtes Bild, dachte Fanni, diesen Ausdruck hätte ich dem Kerl da, der jeden duzt, gar nicht zugetraut.
    Sie setzte sich auf die Holzbank, die genau
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