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Michel muss mehr Männchen machen

Michel muss mehr Männchen machen

Titel: Michel muss mehr Männchen machen
Autoren: Astrid Lindgren
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wieder herauskommen sollte, nachdem er einmal hineingefallen war. Alfred half Michel hin und wieder mit einigen Spatenstichen – trotzdem war die Grube erst gegen Weihnachten fertig.
    »Ist doch gut so«, sagte Alfred, »denn die Wölfe kommen nicht eher aus dem Wald heraus, bevor es kalter Winter ist und sie richtig ausgehungert sind.« Klein-Ida schüttelte sich, wenn sie an die hungrigen Wölfe dort hinten im Wald dachte, die in der kalten Winternacht angeschlichen kommen und heulend um die Hausecken streichen würden. Aber Michel schüttelte sich nicht. Er sah Alfred mit glitzernden Augen an und freute sich schon auf den Wolf, der in seine Grube fallen sollte.
    »Nun muss ich sie nur noch mit Ästen und Zweigen abdecken, damit der Wolf die Grube nicht vorher sieht«, sagte er zufrieden und Alfred stimmte zu.
    »Das ist richtig! Listig muss man sein, sagte Stolle-Jocke und fing die Laus mit den Zehen«, sagte Alfred.
     

     
    So pflegte man nämlich in Lönneberga zu sagen. Nur Alfred hätte es nicht sagen dürfen, denn Stolle-Jocke war sein Großvater, der im Armenhaus von Lönneberga saß, und über seinen Großvater soll man sich nicht lustig machen. Alfred meinte es natürlich nicht böse, keineswegs. Er sagte nur das, was alle anderen sagten.
    Dann war nur noch auf den Wolfswinter zu warten, der ja kommen musste. Und er kam auch. Kurz vor Weihnachten gab es Frost und mit einem Mal fing es an zu schneien, dass es eine Freude war. Es schneite über ganz Katthult und über ganz Lönneberga und über 
     

     
    ganz Småland, bis alles unter einer einzigen Schneedecke lag. Die Zaunlatten ragten gerade noch heraus, sodass man sehen konnte, wo die Wege waren.
    Aber dass sich eine Wolfsgrube zwischen der Vorratskammer und dem Tischlerschuppen verbarg, das konnte jetzt niemand mehr erkennen. Darüber lag der Schnee, ein weicher weißer Teppich, und Michel betete jeden Abend, dass seine Äste und Zweige nicht brechen möchten, bevor der Wolf kam und in seine Grube plumpste.
    Jetzt hatten sie in Katthult viel zu tun, denn dort wurde Weihnachten gründlich vorbereitet. Zuerst die große Weihnachtswäsche. Lina und Krösa-Maja knieten auf dem eiskalten Steg am Katthultbach und spülten Wäsche. Lina weinte und hauchte auf ihre Finger, weil sie vor Frost schmerzten. Das große Weihnachtsschwein wurde geschlachtet und nun, sagte Lina, hatte man selbst kaum noch Platz in der Küche, zwischen all den Fleischwürsten, den Klößen, den Bratwürsten und Leberwürsten, die sich neben Schinken und Sülze und gepökelten Schweinsrippen und ich weiß nicht was noch allem drängten. Dünnbier gehörte auch dazu, wenn Weihnachten war. Das hatte Michels Mama in dem großen Holzbottich im Brauhaus gebraut. Gebakken wurde, dass einem schwindlig werden konnte: Sirupbrot, feines Roggenbrot und Safranbrot und Weizenbrot und Pfefferkuchen und besonders leckere kleine Brezeln und Sahnebaisers, bunte Kekse und Spritzgebäck, ja, aufzählen kann man nicht alles.
    Kerzen musste man selbstverständlich auch haben. Michels Mama und Lina brachten fast eine ganze Nacht damit zu Kerzen zu ziehen, große Kerzen und kleine Kerzen und Baumkerzen, denn nun sollte hier wirklich Weihnachten werden. Alfred und Michel spannten Lukas vor den Holzschlitten, und fuhren in den Wald, um einen Weihnachtsbaum zu schlagen, und Michels Papa ging in die Scheune und kramte einige 
     

     
    Hafergarben hervor, die er für die Spatzen aufbewahrt hatte.
    »Es ist natürlich eine wahnsinnige Verschwendung«, sagte er, »aber wenn Weihnachten ist, sollen es die Spatzen auch einmal gut haben.«
    Es gab noch mehr, an die man denken musste, mehr, denen es auch einmal gut gehen sollte, wenn Weihnachten war. All die Armenhäusler, die Menschen im Armenhaus! Du weißt sicher nicht, was es mit einem Armenhaus auf sich hatte, und darüber kannst du nur froh sein. Ein Armenhaus war etwas, was es in früheren Zeiten gab, und wenn ich davon alles genau erzählen wollte, würde es schauerlicher werden als sämtliche Schreckensgeschichten von Krösa-Maja über Mörder und Geister und wilde Tiere. Wenn du dir eine schäbige kleine Hütte mit einigen Zimmern darin vorstellst und die Hütte voll mit armen, verbrauchten alten Menschen, die dort zusammen wohnen – in einem einzigen Durcheinander von Dreck und Schmutz und Läusen und Hunger und Elend, dann weißt du, wie damals diese Armen in einem Armenhaus lebten. In Lönneberga war das Armenhaus bestimmt nicht schlechter als
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