Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Michel muss mehr Männchen machen

Michel muss mehr Männchen machen

Titel: Michel muss mehr Männchen machen
Autoren: Astrid Lindgren
Vom Netzwerk:
Festessen werden? Na ja, es gab immerhin im Vorratshaus frisch eingelegtes Schweinefleisch im Salzfass und Schweinebraten mit Kartoffeln und Zwiebelsoße konnte man notfalls auch einem König vorsetzen.
    Als aber Michels Mama an diesem Abend in ihr blaues Schreibheft schrieb, da war sie traurig – das muss zugegeben werden – und die Seite zeigt heute noch Flecken, als ob jemand darüber geweint hätte.
    »Zweiter Weihnachtstag, abends, in meiner Not«, stand da als Überschrift. Und dann: »Heute hat es den ganzen Tag im Tischlerschuppen gesessen, das arme Kind. Sicher ist er eigentlich fromm, der Junge, obwohl ich manchmal glaube, er ist zu verrückt.«
    Das Leben auf Katthult aber ging weiter. Bald war der Winter vorbei und es wurde Frühling. Michel saß oft im Tischlerschuppen, und wenn er das nicht tat, spielte er mit Ida oder ritt auf Lukas oder kutschierte den Milchwagen, ärgerte Lina und redete mit Alfred und stellte immer wieder neuen Unfug an, der sein Leben – vom Morgen bis zum Abend – reich und abwechslungsreich machte. Zu Beginn des Monats Mai hatte er nicht weniger als hundertfünfundzwanzig Holzmännchen auf dem Regal im Tischlerschuppen stehen, dieser tüchtige Junge!
    Alfred machte keinen Unfug, aber er hatte trotzdem Sorgen, denn er hatte sich noch immer nicht getraut es Lina zu sagen, dass er sie nicht heiraten wollte.
    »Es ist wohl besser, ich mach das«, sagte Michel, aber davon wollte Alfred nichts wissen.
    »Ich hab dir doch erklärt, das muss schonend beigebracht werden, damit sie nicht traurig wird.«
    Alfred war eine gute Seele, aber er wusste sich keinen Rat, wie er es Lina beibringen sollte. Doch an einem Samstagabend Anfang Mai, als Lina auf der Treppe vor der Knechtshütte saß und beharrlich darauf wartete, dass er kommen würde, um schön mit ihr zu tun – da beschloss Alfred, dass es geschehen sollte. Und er beugte sich aus dem Fenster und rief ihr zu: »Hör mal, 
     

     
    Lina! Da ist eine Sache, die ich dir schon lange sagen wollte!«
    Lina kicherte. Nun kam sicher was, was sie gern hören wollte.
    »Was denn, mein lieber Alfred?«, rief sie zurück. »Was willst du mir sagen?«
    »Ja, die Heiraterei, von der wir gesprochen haben – hörst du, die lassen wir sein. Das ist Schiet!« So sagte er – armer Alfred! Es ist schrecklich, das berichten zu müssen. Ich hätte es eigentlich auch nicht tun sollen, denn ich will dir ja nicht mehr hässliche Wörter beibringen, als du schon kennst. Aber du musst bedenken, dass Alfred nur ein armer Knecht in Lönneberga war, und das bist du nicht. Er konnte sich nicht feiner ausdrücken, obwohl er doch so lange darüber gegrübelt hatte, der arme Alfred.
    Lina wurde übrigens nicht traurig.
     

     
    »Denkst du, wie?«, sagte sie. »Na, das wirst du schon noch sehen!«
    Und in diesem Augenblick begriff Alfred, dass er wohl nie von Lina loskäme. Nur an diesem Abend wollte er dennoch frei und glücklich sein. Deshalb ging er mit Michel zum Katthultsee hinunter und angelte Barsche.
    Es war ein Abend, so schön, wie er fast nur in Småland sein kann. Alle Kirschbäume auf Katthult blühten, die Amseln sangen, die Mücken schwirrten und die Barsche bissen an. Dort saßen sie, Michel und Alfred, und sahen ihre Korken auf dem blanken Wasser auf und nieder schaukeln. Sie sprachen nicht viel, aber sie fühlten sich wohl. Bis die Sonne unterging, saßen sie dort und dann gingen sie heim. Alfred trug die Barsche und Michel spielte auf einer Weidenflöte, die Alfred ihm geschnitzt hatte. Über die Wiese gingen sie, über einen Pfad, der sich unter frühlings grünen Birken entlangschlängelte. Michel blies auf seiner Flöte, dass die Amseln staunten; aber plötzlich hörte er auf zu blasen und nahm die Flöte aus dem Mund.
    »Weißt du, was ich morgen machen werde?«, fragte er.
    »Nee«, sagte Alfred. »Irgendeinen Unfug?« Michel steckte die Flöte wieder in den Mund und fing an zu spielen. Da ging er und blies eine Weile und dachte scharf nach.
    »Ich weiß nicht«, sagte er schließlich. »Ich weiß das nie vor nachher.«
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher