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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
Autoren: Ayse
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über ihr neunzehnjähriges Martyrium. Selten hat eine Frau so offen über ihre Zwangsverheiratung gesprochen, über die tagtägliche Vergewaltigung von Körper und Seele. Und Ayşe ist kein Einzelfall.
    Mädchen und Frauen werden in vielen Ländern und Kulturen gegen ihren Willen verheiratet. In Äthiopien ist eine Heirat im Alter von sieben bis acht Jahren nicht unüblich. Im Norden Nigerias liegt das durchschnittliche Heiratsalter bei elf Jahren. In der indischen Region Rajasthan werden sechsundfünfzig Prozent der Frauen verheiratet, bevor sie fünfzehn Jahre alt sind.
     
    In Deutschland gibt es viele Frauen wie Ayşe
     
    Die Geschichte von Ayşe zeigt, dass nicht nur in fernen Ländern, sondern auch in der Bundesrepublik Mädchen und Frauen gegen ihren Willen verheiratet werden. Betroffen sind Mädchen und Frauen in Migrantenfamilien. Im Jahr 2004 beriet TERRE DES FEMMES Mädchen und Frauen oder Kontaktpersonen von Betroffenen und vermittelten sie auf Wunsch an Kriseneinrichtungen und Beratungsstellen, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Das Spektrum reicht von fünfzehnjährigen Mädchen, die in den Sommerferien in ihrem Herkunftsland verheiratet werden sollen, bis hin zu vierzigjährigen Frauen, die nach über zwanzig Jahren Zwangsehe einen Ausweg suchen. Ein Großteil der Frauen stammt aus der Türkei, Pakistan, dem Libanon, Marokko und dem Kosovo. Es gibt aber auch Fälle aus Griechenland, Indien,Burkina Faso und Vietnam. Vor allem die sehr jungen Frauen haben zwar oftmals einen deutschen Pass, was sie jedoch nicht vor diesem Verbrechen zu schützen scheint. Auffällig ist auch die große Zahl der Frauen, bei denen neben der Zwangsheirat noch aufenthaltsrechtliche Probleme hinzukommen.
    Es gibt bisher kaum Zahlen über das Ausmaß von Zwangsehen in Deutschland. Eine Umfrage der Berliner Senatsverwaltung bei fünfzig Einrichtungen aus dem Jugendhilfe- und Migrationsbereich ergab aber für das Jahr 2002, dass zweihundertdreißig Mädchen und Frauen wegen einer drohenden oder schon erfolgten Zwangsheirat Hilfe bei Berliner Einrichtungen suchten.
     
    Warum Zwangsheirat?
     
    Häufig pflegen Familien mit Migrationshintergrund patriarchalische Wert- und Ehrvorstellungen. Sie wollen sich von der als befremdlich und unverständlich empfundenen Umgebung abgrenzen. Manche verheiraten ihre Töchter innerhalb der eigenen Community oder in die alte Heimat, um sie vom Kontakt mit einer verwerflich erscheinenden Umwelt abzuhalten. Die Eltern wollen ihre Töchter in den eigenen Familienstrukturen aufgehoben wissen – etwa um die Jungfräulichkeit und damit die Ehre der Familie zu bewahren.
    Hinter solchen Zwangsheiraten steckt oft ein ungelöster Generationen- und Kulturkonflikt. Prallen die alten Sitten des Herkunftslandes mit dem deutschen Lebensstil zusammen, werden Mädchen oft aus Angst vor einer Verfremdung strenger erzogen als im Herkunftsland. Den Eltern missfällt, dass sie moderne Kleidung tragen und mit ihren Freundinnen in die Disco gehen. Aufgrund der unterschiedlichen Lebensentwürfe, die die Eltern für ihre Kinder haben, und den eigenen Vorstellungen der Mädchen kommt es in einigen Fällen zum Streit, der für betroffene Frauen auch tödlich enden kann.
    Es gibt auch Eltern, die vermählen ihren Sohn mit einer Brautaus dem Herkunftsland. Durch Frauen wie Ayşe soll die eigene traditionelle Kultur in Deutschland gefestigt werden. Nicht selten erleben diese Frauen einen Kulturschock, fehlende Sprachkenntnisse isolieren sie.
    Es sind auch Fälle bekannt, in denen »abtrünnige« Söhne durch eine Zwangsverheiratung auf den »rechten Weg« zurückgebracht werden sollen. Solche Versuche scheitern natürlich.
    Schließlich werden auch in Deutschland lebende Türkinnen mit einem weit entfernten Verwandten aus dem Herkunftsland verheiratet, damit der Bräutigam auf legale Weise einwandern kann.
     
    Zwangsheirat ist eine Menschenrechtsverletzung
     
    Die Zwangsverheiratung zählt neben Ehrenmord, Steinigung oder Mitgiftmord zu den Verbrechen im Namen der Ehre. Sie sind schwer wiegende Menschenrechtsverletzungen und stehen im Gegensatz zu fundamentalen Rechten, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) , dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1976) und dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1981) festgelegt sind. Alle Unterzeichnerstaaten des Abkommens sind z. B. verpflichtet, kulturellen Praktiken
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