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Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Titel: Mich gibt s ubrigens auch fur immer
Autoren: Seidel Jana
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peinlich.
    Â»Na und?«
    Â»Du hast versucht, einen Apfelbaum zu säen.«
    Â»Stimmt«, Lilly kichert unbefangen.
    Ich vermute, bei der Apfelbaumgeschichte handelt es sich um einen der Punkte auf ihrer Liste. Die Arme. Wenn die Leute schon bei den Punkten 1 und 2 so auf die Barrikaden gehen, wird sie niemals auf 100 kommen. Falls ich nicht schon welche verpasst habe.
    Â»Mir ist so langweilig«, stöhnt Oscar und haut mit der Faust auf den Körper des Schokoladenkerls. Lilly und ich zucken zusammen. Johann aber ignoriert seinen Sohn.
    Â»Du hast dafür leicht bekleidet den Schnee von der Wiese geräumt.« Er wird langsam wütend. Hauptsächlich wohl deswegen, weil er sich gezwungen fühlt, dieses Gespräch zu führen. So schlimm ist es nun wirklich nicht, mit ein paar Apfelkernen in den Garten zu gehen.
    Â»Ich wollte nicht, dass meine Kleidung schmutzig wird. Und ich musste doch irgendwie an die Erde rankommen, um die Kerne einzusetzen«, sagt Lilli bestimmt. Klingt einleuchtend.
    Â»Würdest du solche Eskapaden bitte in Zukunft lassen?«
    Â»Nun, ich werde ganz sicher keinen zweiten Apfelbaum mehr pflanzen.« Jetzt wird auch Lilly ungeduldig.
    Â»Und auch sonst keinen Unsinn mehr anstellen?«
    Â»Ich weiß nicht genau, was du mit Unsinn meinst …« Lilly guckt zur Seite.
    Â»Können wir jetzt gehen, ich will spielen!« Oscar hat inzwischen auch die Schokoladentrümmer verputzt.
    Â»Was möchtest du denn spielen?«, fragt seine Oma neugierig.
    Â»Return to Castle Wolfenstein. Das ist voll cool«, sagt Oscar. Aus seinem Kindermund klingen die englischen Wörter ein bisschen drollig. Mit dem imaginären Maschinengewehr in seinen heftig zuckenden Armen, erläutert er den Erwachsenen den ungefähren Inhalt des Spiels. Na klasse. Bis zum Prostituiertenmörder schafft er es gar nicht mehr. Vorher wird das verfressene Kind in der Schule gemobbt. Dann läuft es natürlich Amok. Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich in die Kamera einer Pressemeute bedauernd sagen: »Irgendetwas war immer komisch an dem Jungen. Und dann immer diese Gewaltspiele …«
    Verwirrt sieht Lilly zu mir. So ganz hat sie das Castle-Wolfenstein-Prinzip offenbar nicht verstanden. Ich winke ab, um ihr zu signalisieren, dass sie rein gar nichts verpasst hat: »Kann ich noch etwas für Sie tun?«
    Â»Zahlen«, sagt Johann knapp und wirft abgezählte Münzen auf den Tisch, während er aufsteht. »Und, bitte, Mutter, nimm ein bisschen Rücksicht auf uns und deine Mitbewohner.«
    Lilly schaut betreten auf den Tisch.
    Â»Blöde Rotzlöffel«, höre ich Lothar unerwartet brummeln. Es ist doch immer wunderbar, etwas Schönes in einem Scheusal zu entdecken. Ich hätte gedacht, er freut sich, wenn der »verrückten Lilly« vor den Kopf gestoßen wird. Angewidert schaut Johann zu Turban. Ihm ist nicht entgangen, dass die Rotzlöffel-Mehrzahl ihn mit einschließen sollte. Schlauer, als ich dachte, der Mann.
    Â»Wie halten Sie es hier nur aus mit diesen renitenten Alten?«, fragt er entnervt.
    War ja klar, dass er mich nun doch bemerkt. Jetzt, wo er einen Verbündeten gegen den Wahnsinn des Alters sucht. Wenn er gleich auch noch Brüderschaft mit mir trinken will und mir leutselig einen Euro zusteckt, damit ich Lilly bewache, lege ich vielleicht einfach ihn UND seinen Sohn übers Knie.
    Â»Bestens«, antworte ich knapp.
    Lilly steht auf und küsst Sohn und Enkel flüchtig auf die Wange. Die wischt Oscar sich schnell noch ab, bevor er mit seinem Vater den Raum verlässt. Gemeinsam schauen wir ihnen nach. Ich habe das Gefühl, wir denken alle das Gleiche.
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    R ein theoretisch möchte ich ja auch Kinder bekommen. Etwas weniger theoretisch – rein faktisch – müsste ich dann allmählich mal damit beginnen. Ich bin dreiunddreißig. Aber was, wenn die Kleinen überhaupt nicht darauf stehen, abends Erich Kästner oder Astrid Lindgren vorgelesen zu bekommen. Wenn sie nicht mit ihren rotwangigen Freunden über die Wiesen tollen, um sich dann bei mir ein Stück frisch gebackenen Erdbeerkuchen abzuholen? Wenn sie ihr politisch korrektes Holzspielzeug nur dafür nutzen, anderen Kindern die Köpfe einzuschlagen und den Rest der Zeit in der Krabbelgruppe darüber streiten, wer das coolste Plastik-Kinder-Handy hat? Das alles macht mir ein bisschen Sorge – mal ganz zu schweigen von
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