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Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Titel: Mich gibt s ubrigens auch fur immer
Autoren: Seidel Jana
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spät für sie über den Ozean geschwappt. In besonders extravaganten Momenten trinken die Damen vielleicht mal einen Espresso. Im Gedenken an die Italienurlaube, in denen Kellner mit ihnen flirteten, die sicher schon gar nicht mehr unter den Lebenden weilen. Schweigend hantiere ich weiter herum, während Turban missmutig jede meiner Handbewegung beobachtet. Ich versuche ihn zu ignorieren. Ich habe heute echt größere Probleme und muss mich von dem Stinkstiefel nicht aus der Ruhe bringen lassen.
    Die Tür öffnet sich, und herein tritt Lilly. Strahlend winke ich ihr zu. Meine Rettung. In Lillys Nähe ist schlechte Laune schlicht unmöglich. Jedes der vielen Fältchen in ihrem Gesicht ist ein Lachfältchen – deswegen wirkt sie damit viel jünger und eher apart als alt. Wie Lothar hebt sie sich durch ihr Äußeres von der Masse ab. Sie gibt sich immer noch Mühe – und das mit Erfolg. Nie versucht sie Altersspuren mit zu viel Make-up zu übertünchen, was andere Damen ihres Alters oft lächerlich aussehen lässt. Alles schön dezent! Sie färbt ihr Haar immer noch sorgfältig in dem goldblonden Ton, den sie früher von Natur aus hatte. Nur ihre Kleidung ist wie immer auffallend. Früher muss sie ein echt heißer Feger gewesen sein. Sie trägt ein fließendes violettes, elegantes Kleid mit schwarz bestickter Borte am Halsausschnitt. Sie hat mir mal erklärt, dass sie es für eine Frage der Höflichkeit halte, andere nicht zu langweilen – auch nicht mit öden Klamotten. Nun ja, sie war mal Schauspielerin. Sie weiß halt, wie die Bühne funktioniert.
    Â»Nicht die verrückte alte Schachtel«, zischt Turban so laut, dass die so Bezeichnete es garantiert gehört hat. Eigentlich heißt »die verrückte alte Schachtel« übrigens Gerda. Weil sie den Namen aber ihr Leben lang schrecklich fand, gönnt sie sich hier endlich den Luxus, sich bei ihrem Lieblingsnamen Lilly rufen zu lassen. Der passt auch viel besser zu ihr. Ich verstehe, warum manche sie für verrückt halten. Aber ich glaube eigentlich nicht, dass sie es ist. Es ist aufregend, sie zu beobachten. Sie wirkt immer irgendwie amüsiert, sogar wenn sie mit sich allein ist. Mit blitzenden Augen sitzt sie da, immer ein wenig unruhig fahren ihre Finger Spuren auf dem Tisch nach. Gelegentlich kichert sie scheinbar grundlos wie ein Schulmädchen. Wie gerne würde ich in solchen Momenten in ihren Kopf gucken können. Ich vermute, dass darin ein so überwältigender Wirbelsturm an verqueren Gedanken tobt, dass sie ihn kaum halten kann. Deswegen kann sie auch nicht verhindern, dass ihre Reaktion auf eine besonders heitere Idee nach außen sichtbar wird. Also ist sie vielleicht doch ein wenig verrückt, wenn man damit nur meint, dass sie etwas neben der üblichen Spur läuft.
    Sie schwebt in meine Richtung und wirft mir eine ausgelassene Kusshand zu. »Fröhliche Weihnachten, Tanja. Wieso arbeitest du an einem Tag wie diesem?«
    Â»Ich arbeite immer an Weihnachten. Das Fest bedeutet mir nichts.« Ich bin sogar froh über jede Ablenkung an den grauenhaften Feiertagen, die mich immer an das Ende unseres Familienlebens erinnern, ergänze ich innerlich.
    Â»Und deinen Freund hast du an so einem Tag ganz alleine zu Hause sitzen lassen?«
    Ich schlucke.
    Â»Oh, oh … schwieriges Thema?«
    Ich nicke vorsichtig.
    Â»Das renkt sich schon wieder ein. Zu Weihnachten werden alle immer ein wenig merkwürdig. Dann zanken sie, und zu Neujahr ist es Schnee von gestern. Manche haben allerdings auch immer schlechte Laune.« Sie deutet lächelnd auf Turban, der uns übel gelaunt fixiert. Ich zwinkere ihr zu und lasse sie in dem Glauben, zwischen Hrithik und mir gäbe es nur eine alberne, klitzekleine Verstimmung wegen nicht zugeschraubter Zahnpastatuben.
    Mittlerweile ist der Kaffee für Turban fertig. Mit einem verschwörerischen Grinsen schnappt sich Lilly die Tasse. »Den bringe ich ihm.«
    Ich kann sie schlecht aufhalten, obwohl mir Fürchterliches schwant. Lilli stellt den Kaffee mit einem kleinen Knicks vor Turban ab. So weit, so gut.
    Â»Fröhliche Weihnachten, Lothar.« Ohne Vorwarnung küsst sie ihn auf den Mund. Lieber Himmel! Wie gerne würde ich mich in diesem Moment schamhaft unter dem Tresen verstecken. Aber man hört gar keinen Laut von Lothar, dabei hatte ich schon mit einem handfesten Wutanfall
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