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Meuterei auf der Deutschland

Meuterei auf der Deutschland

Titel: Meuterei auf der Deutschland
Autoren: Klecha Walter Hensel
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und tatsächlich stellt diese Gruppe auch den tragenden Kern der Mitglieder. Insgesamt ist die Wählerschaft inzwischen jedoch deutlich heterogener, so dass sich die Piraten mit widersprüchlichen Forderungen konfrontiert sehen. Viele Menschen projizieren ihren Frust über das politische System, die eigene Lage oder das politische Personal auf die junge Partei, der es mittelfristig schwerfallen dürfte, all diese Erwartungen zu erfüllen. Ihre Entscheidungsmechanismen sind einfach zu träge, undifferenziert und disparat.
    Bislang koexistieren verschiedene Diskussionszirkel und Kommunikationsstrukturen unverbunden nebeneinander. Das gegenwärtige Mitgliederwachstum wird die Partei weiter pluralisieren. Die Partei droht in die Beliebigkeit abzudriften, wenn sie nicht die unterschiedlichen Ansätze zusammenführt, zentrale Fragen streitig stellt und dabei Verfahren zum Ausgleich zwischen Mehrheit und Minderheit findet.
    Dazu bräuchte es allerdings einen Willen zur Führung. Doch die Partei huldigt nun einmal dem Ideal der Basisdemokratie, wobei die Realität sich, bei Lichte besehen, eher als Basispartizipation klassifizieren lässt, da sie einigen grundlegenden Kriterien demokratischer Ordnungen nicht entspricht: Repräsentativität, Verfahrensklarheit und eindeutige Kommunikations- und Diskursstrukturen fehlen ebenso wie eine Ebene, auf der Interessen ausgehandelt, Minderheiten eingebunden oder Debatten gesteuert werden könnten.
    Dadurch schlagen alle Nachteile der ungefilterten Basisbeteiligung voll auf die inhaltliche wie strategische Ausrichtung durch. Allerdings bietet diese unkonventionelle Struktur auch Vorteile: Die Partei ist ohne Zweifel schnell, wenn sie reagieren muss. Sie kann ihre Kräfte fast traumwandlerisch sicher bündeln und konzentrieren. Hier kommt tatsächlich so etwas wie Schwarmintelligenz zum Vorschein. Doch deren produktive Kraft können die Piraten nur aktivieren, wenn sie herausgefordert werden. Sie sind nicht in der Lage – und auch das hat sie mit anderen Phänomenen der Internetkultur unverkennbar gemein –, von sich aus kreativ tätig zu werden. Wenn es darum geht, selbst eine Agenda vorzugeben oder einen strategischen Spannungsbogen für Debatten und Auseinandersetzungen zu entwickeln, stehen sie vor großen Schwierigkeiten. Verkürzt gesagt: Die Piraten sind strategieunfähig, dafür aber taktisch geschickt.
    Doch eine Strategie, langfristige Ziele und Machtoptionen müsste sich die Partei erarbeiten, wenn sie dauerhaft Bestand haben will. Gegenwärtig fußen ihre Erfolge vor allem auf der Forderung nach erneuerten demokratischen Entscheidungsmechanismen, doch wie diese am Ende aussehen könnten und welche Politik damit dann verfolgt werden soll, wird nicht klar. Man muss den Piraten keineswegs vorhalten, dass sie gegenwärtig noch nicht zu allen Themenfeldern Lösungen anbieten können. Vielmehr wird man sie künftig stärker damit konfrontieren, wann sie Antworten auf politische Fragestellungen vorlegen werden.
    Die Strukturen der Partei sind jedenfalls im Augenblick nicht auf ein konstruktives, zielgerichtetes und verbindliches Entscheidungsverfahren ausgerichtet. Gerade in zugespitzten Auseinandersetzungen dürften die Piraten Schwierigkeiten haben, zu einer Position zu gelangen. Mit ihrem hohen Anteil an Protestwählern dürften sie dann aber Gefahr laufen, zwischen den Fronten zerrieben zu werden.
    Unabhängig davon wird die Partei, die ja immerhin realistische Chancen auf Bundestagsmandate hat, bestimmten inhaltlichen Fragen jedenfalls nicht dauerhaft ausweichen können, was dann wiederum Auseinandersetzungen innerhalb der heterogenen Anhängerschaft nach sich ziehen dürfte. Das gilt insbesondere für ihre Positionen zur Außen- und Sicherheitspolitik, zur weiteren Integration Europas, zu steuerpolitischen Grundsatzentscheidungen und anderen ähnlich komplexen Themen. Schon bei der Frage des Urheberrechts bekommen die Piraten aktuell zu spüren, dass ihre Perspektive von zahlreichen Multiplikatoren nicht geteilt wird und dass diese ihnen die Deutungshoheit nicht kampflos überlassen. Dabei ist die Haltung der Partei bei diesem Thema noch relativ klar und gefestigt, weshalb die Debatte den internen Zusammenhalt eher fördert. Bei anderen Fragestellungen sind Konflikte fast zwangsläufig zu erwarten.
    Auch das muss keineswegs schädlich sein. Konflikt, Streit, Dissens, Debatte und Entscheidungen sind vielmehr der Wesenskern einer lebendigen Demokratie. Den Piraten fehlt
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