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Meuterei auf der Deutschland

Meuterei auf der Deutschland

Titel: Meuterei auf der Deutschland
Autoren: Klecha Walter Hensel
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nachwachsenden Generationen zunimmt. Ihr gegenwärtiges Hoch ist hingegen nicht vorrangig den genuinen Themen der Partei geschuldet, sondern eher der plakativen Strahlkraft einer radikalen Staatskritik, die auch vor populistischen Ansätzen nicht zurückschreckt. Obwohl die Piraten nicht strategisch und zielgerichtet auf populistische Vereinfachung setzen, entfaltet dieser Aspekt doch unbestreitbar eine gewisse Wirkung. Die Partei erreicht auf diesem Weg eine beachtliche Zahl von Protestwählern, die sich ansonsten vielleicht enthalten oder sogar den Parteien am rechten Rand zugewandt hätten. Man sollte diese Leistung im Übrigen nicht vorschnell naserümpfend als undemokratisch abtun, immerhin wecken die Piraten Neugier auf Politik und damit letztlich auch auf die Demokratie.
    Die zentrale Frage ist freilich, wie dauerhaft dieser Erfolg sein wird. Das Beispiel der schwedischen Piratenpartei offenbart, dass der Niedergang ebenso rasant verlaufen kann wie der Aufstieg. Zudem scheint die beeindruckende Karriere der Piraten bislang ein weitgehend deutsches Phänomen zu sein, so dass man im Moment noch nicht von einer internationalen sozialen Bewegung sprechen kann, die eine neue Konfliktlinie thematisiert und einen alternativen Politikstil präsentiert. Auch das ist bei näherem Hinsehen ein Grund, die angeblichen Parallelen zu den Grünen nicht allzu sehr zu strapazieren. Wie unzuverlässig schließlich die Wähler geworden sind und wie schnell sie von einer Partei zur nächsten wechseln, haben die schwankenden Wahlergebnisse und Umfragewerte beispielsweise der FDP und der Grünen in den letzten Jahren eindrücklich gezeigt.
    Die Piratenpartei ist nicht zuletzt auch insofern ein sehr deutsches Phänomen, als sie auf die spezifischen Schwächen der repräsentativen Demokratie in der Bundesrepublik reagiert. So geben der Verbundföderalismus, die spezifische Verschränkung der Ebenen und Gewalten, die starke Betonung des repräsentativen Charakters und der Zustand des Parteiensystems in den letzten Jahren massiven Anlass für grundlegende Diskussionen über den Zustand und die Reformerfordernisse der Demokratie (exemplarisch für die Debatten: Decker 2011). Die Piratenpartei ist gleichsam das Produkt und die Reaktion auf diese Repräsentationskrise. Deswegen fallen den Piraten gegenwärtig die Ämter und Mandate nur so zu; deshalb erreichen sie eine beachtliche mediale Resonanz und für eine Kleinpartei herausragende Umfragewerte. Die Piraten haben dadurch in kürzester Zeit all diejenigen Lügen gestraft, die davon ausgingen, es handele sich um eine urbane, gar berlinspezifische Erscheinung einer kleinen versprengten Subkultur. Gerade die jüngsten Wahlerfolge in drei westdeutschen Flächenländern, aber auch die Stabilität und Beständigkeit der Ergebnisse zwischen 2009 und 2011 belegen, dass die Piraten durchaus mehr sind als eine flippige und rasch vergängliche Zeitgeistpartei.
    Ob die Piratenpartei aber ihr Elektorat so weit stabilisieren kann, dass es sie 2013 bis in den Bundestag tragen wird, ist gleichwohl nicht seriös abschätzbar. Fast alle positiven Eigenschaften der Piraten können umstandslos in ernsthafte Probleme umschlagen, sobald die idealistischen Prinzipien auf die unerbittlichen Imperative und Restriktionen des politisch-medialen Systems stoßen oder von individuellen Fehltritten einzelner Mitglieder konterkariert werden. So ließen sich einige Nachteile von digitaler politischer Kommunikation, Transparenz und basisdemokratischer Beteiligung am Beispiel der Berliner Fraktion bereits wie unter einem Brennglas beobachten.
    Die gesamte Organisationsstruktur der Partei ist für den jetzigen Erfolg unzureichend ausgebildet. Die Finanzkraft ist unterdurchschnittlich, Anzeichen einer Besserung sind im Prinzip nicht zu erkennen. Die fehlende hauptamtliche Struktur sorgt für einen erheblichen Verschleiß bei den Ehrenamtlichen. Die Landtagsfraktionen können das derzeit noch teilweise kompensieren, doch die Piraten werden aufpassen müssen, dass eine mangelnde Trennung von Partei und Fraktion ihnen nicht zum Verhängnis wird.Zudem darf man nicht vergessen, dass die Abgeordneten der Piraten derzeit alle Hände voll damit zu tun haben, sich in den Strukturen des für sie noch ungewohnten Politikbetriebs zurechtzufinden.
    Im Augenblick übertragen die Wähler zudem alle möglichen Hoffnungen auf die Piraten. Ein Teil dieser Wähler ist programmatisch interessiert, offen für die neuen Ansätze der Partei,
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