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Meuterei auf der Deutschland

Meuterei auf der Deutschland

Titel: Meuterei auf der Deutschland
Autoren: Klecha Walter Hensel
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jedoch ein organisatorisches Zentrum, das Diskussionen bündeln und widerstreitende Positionen zusammenführen könnte. Es mangelt ihnen außerdem an einer übergreifenden Erzählung, mit der man die verschiedenen Pole und Strömungen einbinden könnte. Mit der derzeitigen Struktur könnte die Partei sich in ideologische Richtungen aufspalten, die eher koexistieren als kooperieren.
    Die Gefahr einer Marginalisierung liegt also insbesondere in der Organisationsstruktur begründet. Die Piraten sind sehr stark mit sich selbst beschäftigt, sie suchen keine Allianzen mit Interessengruppen oder Multiplikatoren. Die breiten sozialen Bündnisse, auf welche die etablierten Parteien bislang mehr oder weniger ausgeprägt setzen, liegen ihnen fern. Die Piratenpartei ist radikalindividualistisch und lehnt die korporativen Elemente einer entwickelten Gesellschaft entschieden ab. Damit fehlen ihr jedoch wichtige gesellschaftliche Kommunikationskanäle und Rückzugsräume, in denen andere Parteien sich erneuern können. Viel zu sehr pflegen die Piraten dafür ihre binnenzentrierte Kommunikationsweise; für eine mittlere Zeitperspektive muss das jedoch kein Problem sein, wie die Strömungsauseinandersetzungen bei den frühen Grünen zeigen.
    Dass es mit der Piratenpartei weiterhin aufwärts geht bzw. dass die junge Partei sich dauerhaft etablieren kann, ist also keineswegs gesichert. Die Volatilität der Wählerschaft könnte sie durchaus schnell wieder ins parlamentarische Aus befördern. Selbst wenn der Partei noch Erfolge bei den Wahlen im Jahr 2013 beschieden sein sollten, wird die Konsolidierung eine immense Herausforderung darstellen. Die Piraten werden dabei früher oder später anden Punkt gelangen, an dem die Ideale und Organisationsprinzipien, welche die Partei gegenwärtig pflegt, in Widerspruch geraten zu den Erfordernissen der Effizienz, Verbindlichkeit und Klarheit. Gerade wenn die Piraten irgendwann in feste Koalitionen eingebunden werden, dürften die Widersprüche schnell aufbrechen. Die Partei steht dann vor einem Dilemma: Gegenwärtig wird sie ja gerade (auch) deswegen gewählt, weil sie anders ist, andere Rituale pflegt, sich absetzt von der etablierten politischen Kultur. Die Professionalisierung von Strukturen oder Entscheidungsprozessen dürfte dann auch als Profanisierung wahrgenommen werden, Blessuren hinterlassen und einen partiellen Austausch der Anhängerschaft mit sich bringen.
    An dieser Stelle ist der Vergleich mit den Grünen überaus angebracht: Nach der Wahlniederlage 1990 begann die Reorganisation, die sogenannten »Fundis« spalteten sich ab, und nach dem Regierungseintritt 1998 verlor man auch noch den pazifistischen Flügel. Dennoch konnte die Partei am Ende erfolgreich bestehen. Die Grünen verfügten allerdings über ausreichende finanzielle Ressourcen, konnten sich auf ein gewachsenes Milieu stützen, hatten Übung im Koalitionsgeschäft und Erfahrung mit Regierungsämtern. Von alldem sind die Piraten gegenwärtig weit entfernt, und die Partei ist in diesem Punkt auch recht ehrlich: Sie sieht sich für Koalitionen, für Regierungsaufgaben und Ähnliches noch nicht gewappnet. Über die Grünen der achtziger und neunziger Jahre ließe sich in verschiedener Hinsicht dasselbe sagen, doch die Partei hat ihre machtpolitischen Optionen schließlich relativ zügig wahrgenommen. Aus ihren Bündnissen erst auf kommunaler, dann auf Landes- und schließlich auf Bundesebene haben die Grünen eindeutig gelernt. Es ist insofern durchaus möglich, dass es bei den Piraten eines Tages ähnlich laufen könnte.
    Kurzum: Es wird spannend sein zu beobachten, wie die Piratenpartei den diversen Herausforderungen begegnen wird, die sich ihr zwangsläufig stellen werden. Viel dürfte davon abhängen, welche Schlüsse die etablierten Parteien aus den Erfolgen der Piraten ziehen. Bislang haben sie wohl nur realisiert, dass sie sich intensiver mit Fragen der Netzpolitik beschäftigen müssen, mit demAuftreten der Piraten scheinen sie sich noch nicht so recht auseinandergesetzt zu haben. Jedenfalls gibt es bislang in keiner Partei eine elaborierte Debatte über den Zustand der repräsentativen Demokratie und die daraus abzuleitenden Anforderungen an eine Reform der selbigen. Zudem ist nicht erkennbar, dass die Parteien versuchen, gesellschaftliche Verbindungen zu reaktivieren oder neu zu schaffen. Dadurch könnte sich die Repräsentationskrise weiter vertiefen. Ob davon dann aber die Piraten dauerhaft profitieren, sei
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