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Mettwurst ist kein Smoothie

Mettwurst ist kein Smoothie

Titel: Mettwurst ist kein Smoothie
Autoren: Markus Barth
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ich aber in einem Kölner Club. Es war schon relativ spät, ich stand an der Bar und beobachtete seit einiger Zeit einen bulligen Tanktop-Träger, der auf der Tanzfläche seine Muskelberge im Takt schüttelte. Auf seinem rechten Arm hatte er, zwischen zahlreichen anderen Tattoos, einen großen, schwarzen Balken – als hätte er etwas durchstreichen wollen.
    Was hätte ich in diesem Moment tun sollen? Richtig: nichts. Leider hatte ich da schon ein paar Bier intus. Ein paar viele Biere.
    Also wackelte ich irgendwann gut gelaunt auf ihn zu, deutete kölschbeflügelt auf sein Balken-Tattoo am Arm und lallte: «Haha! Haste dich vermalt?»
     
    Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob die Musik in diesem Moment wirklich abrupt abbrach, jedenfalls kam es mir so vor. Der tätowierte Tanz-Brocken schaute mich lange an und setzte dann ein Lächeln auf, wie es Filmbösewichte immer aufsetzen, bevor sie jemandem unfassbar die Fresse vermöbeln. Dann erklärte er mir, dass er mal einem, na ja, ganz speziellen «Freundeskreis» angehört, jetzt aber die Fronten gewechselt hätte und deshalb das Zeichen seiner alten Freunde loswerden musste. Was für Freunde das waren und wohin er gewechselt hätte, dürfe er mir natürlich nicht erklären. Falls ich aber noch Fragen hätte, würde er mir die gerne alle vor der Tür beantworten.
    Ich hatte selten in meinem Leben so wenige Fragen wie in diesem Moment.
     
    Seitdem versuche ich, Tattoo-Träger einfach gar nicht mehr auf ihre Verzierungen anzusprechen. Ohne irgendeine Ausnahme. Und wenn ich jemals bei Familie Ex-Bundespräsident eingeladen werden sollte, werde ich mir den ganzen Abend auf die Lippen beißen, nur um Bettina Wulff nicht zu fragen, was eigentlich der kess gezackte Schuhlöffel auf ihrem Oberarm bedeutet.
     
    Nur manchmal, wenn ich durch meine Straße gehe, überkommt es mich noch. Da hat nämlich vor kurzem ein Tattoo-Studio aufgemacht, und seitdem habe ich ein kleines Spiel entwickelt. Vor dem Studio stehen immer Frischtätowierte mit ihren Freunden und betrachten stolz, aber auch ein bisschen unsicher, ihre teuer erkaufte Verzierung auf Arm, Bein oder Rücken. Wenn ich dann vom Einkaufen wiederkomme, gehe ich an ihnen vorbei, schaue auf das Tattoo, schüttle mitleidig den Kopf und sage: «O weh, o weh. Was ist da denn schiefgelaufen?»
    Noch bevor die verunsicherten Jungs und Mädels nachfragen können, was ich denn meine, schließe ich die Tür auf und bin schwups in meiner Wohnung verschwunden.
    Unbezahlbar.

[zur Inhaltsübersicht]
    Betonhüften-Republik Deutschland
    Ich hasse es, der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein, aber irgendjemand muss es ja mal sagen: Liebe Landsleute, es tut mir wahnsinnig leid, aber Deutschland liegt
nicht
in Lateinamerika. Ich weiß, wir reden uns da alle gerne was ein. Kaum steigt das Thermometer über die magische 15 -Grad-Grenze, kaum regnet es zwischen Grevenbroich und Görlitz mal drei Minuten lang nicht, kaum hat man die dritte Caipirinha in der Hand und zum fünften Mal «Ai-se-dsche-begu, Ai, Ai-se-dsche-begu!» gegrölt, schon fühlt man sich, als stünde man mit einer knappen Speedo-Badehose im Schatten des Zuckerhuts. Aber seien wir mal ehrlich: Meistens ist es dann doch nur Tchibo-Funktionswäsche im Schatten des Gaskraftwerks.
     
    Natürlich ist gegen so ein bisschen südamerikanisches Feeling in Deutschland gar nichts einzuwenden. Wer gelassen und fröhlich und Cachaça-besoffen ist, verteilt wenigstens keine Knöllchen, schreibt keine Kleingartenvereinssatzung und schießt auch nicht mit Luftgewehren auf spielende Kinder. Gefährlich wird es nur, wenn die ganze Ausgelassenheit in Tanzversuche ausartet. Wir alle wissen: Der Deutsche an sich besteht zu 70  Prozent aus Wasser und zu 30  Prozent aus Betonhüfte. Mich übrigens eingeschlossen. Meinen Tanzkurs in der achten Klasse brach ich schon bei der Rumba ab, weil meine bemitleidenswerte Tanzpartnerin Susi so angestrengt schaute, als müsste sie eine Litfaßsäule durch die Gegend schieben. War ja auch so.
    Aber ich bin bei weitem nicht der Einzige. Wer immer noch glaubt, dass Deutsche zu südamerikanischen Tanzbewegungen fähig sind, der schaue sich einmal die Salsa-Versuche des ehemaligen Diskuswerfers Lars Riedel bei «Let’s Dance» an. Ein rückwärts einparkender Sattelschlepper bekäme von Joachim Llambi vermutlich mehr Punkte.
     
    Ich bin ja immer dafür, dass Menschen mal etwas Neues ausprobieren und ihren Horizont erweitern. Aber es ist eben nicht zu
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