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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer
Autoren: Andreas Stammkötter
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gab die Antwort auf seine Frage gleich selbst. »Lachmann hat seine ersten fünf Romane nur sehr schleppend verkauft. Höchstens 2.000 Stück pro Jahr. Der graue Pfau war drauf und dran, ihn aus dem Programm zu nehmen. Und dann fielen die Bücher durch irgendeinen dummen Zufall einem Redakteur vom Fernsehen in die Hände. Und die haben sie verfilmt. Zur besten Sendezeit, Sonntagabend um 22 Uhr im Zweiten. Und das hat den Zeitraub-Verlag nach oben geschossen. Wie eine Rakete! Das war einfach nur Glück! Und der graue Pfau läuft jetzt als der Mann mit dem goldenen Näschen durch die Literaturszene und lässt sich feiern, als sei er der größte Entdecker seit Kolumbus. Das ist doch einfach nur lächerlich!«
    Eigenrauch lief einen Halbkreis und stieß dabei eine Kaffeetasse um, die auf einem Tisch stand. Seine Mitarbeiter kannten die Situation schon. Eine junge Dame riss einige Tücher von einer Küchenrolle ab und beseitigte das Malheur.
    Der Verleger ließ sich nicht ablenken. »Und dann hält dieser Schnösel noch meinen sogenannten Partnern Geldscheine unter die Nase und meint, er könne meinen Verlag schlucken! Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Unfassbar!«
    Kroll versuchte, den Redeschwall zu unterbrechen. »Herr Eigenrauch …«
    »Wissen Sie, wie die Teppichflieger entstanden sind?« Wieder ließ der Verleger die Kommissare nicht zu Wort kommen. »Das war kein dummer Zufall! Dahinter stand ein Konzept! Ich habe den Autor von einem kleinen unbedeutenden Verlag herübergeholt. Ich habe sein Talent erkannt. Ich habe in die Werbung investiert. Ich bin ins Risiko gegangen. Da war zunächst nichts mit Fernsehen. Die kamen erst, als wir die Bestsellerlisten bereits gestürmt hatten. Und nicht umgekehrt!«
    Kroll nahm erneut Anlauf, eine Frage zu stellen. »Was uns interessieren würde …«
    Die Polizisten schienen für Eigenrauch Luft zu sein. »Und ausgerechnet dieser Schaumschläger, dieser Amateur, dieser Langweiler, dieses personifizierte Unentschieden bildet sich ein, meinen Verlag übernehmen zu können? Dass ich nicht lache! Mein Lebenswerk! Und wissen Sie, was das Schönste ist …«
    Kroll wurde jetzt energisch. »Herr Eigenrauch! Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie jetzt einfach unsere Fragen beantworten würden!«
    Der Verleger atmete durch. »Natürlich … bitte verzeihen Sie. Mit mir sind wohl ein wenig die Pferde durchgegangen. Ich denke, Sie kommen wegen des Todes von Willi Lachmann. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Krolls Ton wurde wieder sanfter. »Zunächst würde uns interessieren, wann Sie Lachmann zuletzt gesehen haben.«
    Eigenrauch überlegte. »Das war … Moment … ja genau. Letzten Freitag. Wir haben zusammengesessen und geredet.«
    »Ich nehme an, Sie wollten die Möglichkeiten einer zukünftigen Zusammenarbeit ausloten«, schaltete sich Wiggins ein.
    »Ja, das war der Grund.« Eigenrauch wurde melancholisch. »Der Lachmann war ein guter Mensch. Der hatte sein Herz noch am rechten Fleck! Obwohl der reich war wie ein Scheich, schien den Geld überhaupt nicht zu interessieren. Wissen Sie, was der in dieser Stadt alles für die alten Menschen getan hat?«
    Kroll und Wiggins bestätigten mit einem Nicken. Eigenrauch lachte kurz auf. »Ich glaube, wenn der die Mühlenberg nicht gehabt hätte, hätte der Zeit seines Lebens von der Hand in den Mund leben müssen.« »Wie weit waren denn die Gespräche vorangeschritten?«, wollte Wiggins wissen.
    »Ich glaube nicht, dass er zu uns gekommen wäre. Ich glaube außerdem nicht, dass Sie sich nur annähernd vorstellen können, von wie viel Verlagen so ein Autor angebaggert wird. Da reden wir nicht nur über Leipzig, sondern über die großen Kaliber aus Hamburg und München.«
    Kroll konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Ich glaube, es ging Ihnen gar nicht darum, Lachmann an Ihren Verlag zu binden.«
    »Natürlich nicht«, bestätigte Eigenrauch. »Ich wollte ihm nur klarmachen, dass er sich endlich von diesem dämlichen grauen Pfau trennen sollte. Man kann doch an den Fingern einer Hand abzählen, dass der Zeitraub-Verlag ohne Lachmann bei den Banken höchstens noch einen Kredit für ’ne Fanta kriegt.«
    »Und?«, fragte Wiggins.
    Der Verleger zuckte mit den Schultern. »Ich denke, er hatte großes Verständnis für unsere Situation. Und wie ich bereits sagte: Lachmann hatte eine gesunde soziale Einstellung. Aber wer weiß. Ich glaube, da fragen Sie besser Frau Mühlenberg.« Er hielt einen Moment inne. »Die Arme. Wie geht es ihr
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