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Messertänzerin

Messertänzerin

Titel: Messertänzerin
Autoren: S Rauchhaus
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gleichen Moment sah sie ein Licht unter ihrem Bett aufflattern. Es hatte dort gesessen und an einem Schälchen genippt, das vermutlich Seluria hingestellt hatte.

Farbe
    Die Schule bestand aus drei Stockwerken, deren Außenwände wenige, sehr hoch gelegene Fenster hatten, um die unverheirateten Mädchen vor fremden Blicken zu schützen. An der Innenseite des viereckigen Gebäudes lagen offene Gänge, die durch Säulen vom Garten getrennt waren. Hier fanden Zusammenkünfte und Feiern statt, und heute konnte man schon ab dem frühen Nachmittag auf allen Ebenen des Hauses Lachen und Gesang hören. Es war Donneas Abschiedsfeier. Sie war eines der ältesten Mädchen, das morgen verheiratet werden sollte.
    Divya hatte bereits viele solcher Abende miterlebt, von der Agida aus, dem Holzsteg für die Dienerschaft. Die Agida war mehr als ein Steg, sie führte wie ein geschlossener Käfig aus dunklem Holz um das Haus herum, teils oberhalb der Gänge, teils durch Mauerspalten hindurch und an den Außenwänden entlang. Durch die aufwendig geschnitzten Blumenornamente konnten die Dienerinnen sehen, wo sie gebraucht wurden, blieben aber unsichtbar, wenn sie störten. Zu den Unterrichtsräumen führten höhergelegene Türen aus verziertem Holz. Wenn es nötig war, konnte man diese öffnen und ein Tablett an einem Flaschenzug herunterlassen.
    Divya, die sonst meist eilig über den Steg huschte, konnte heute nur sehr langsam gehen, sie fühlte sich immer noch wackelig auf den Beinen. Gestern hatte sie nicht viel arbeiten können, heute konnte sie immerhin das Kleiderbündeltragen, das sie zur Wäscherei bringen sollte. Aber es kam ihr schwerer vor als sonst.
    Gedankenverloren blickte sie hinab in den Garten, auf die tanzenden Mädchen, die mit bedächtigen Schritten Kerzen im Kreis trugen. Ein Anblick, der den Innenhof des sonst so strengen Hauses in ein Traumland verwandelte. Wie hätte es auch anders sein können? Es war der Tanz in die Freiheit, hinaus in die Welt.
    Auf einmal stieß Divya mit dem Fuß gegen ein Hindernis, stolperte und landete weich auf den Kleidern, die sie noch immer im Arm hielt. Im Dämmerlicht sah sie einen Schatten aufspringen. Ein Mädchen, das bis eben auf dem Boden gehockt hatte. Divya konnte das Gesicht nicht erkennen, aber sie hatte nicht das Gefühl, dass sie das Mädchen kannte.
    »Bist du verrückt, dich einfach in den Weg zu setzen? Wo kommst du überhaupt her? Bist du neu?«, schimpfte Divya leise. Maita hatte nichts von einer neuen Dienerin erzählt.
    Das Mädchen machte einen Schritt auf sie zu, sodass das Mondlicht das Gesicht und das goldblonde Haar traf. Und eine blaue Vesséla und eine blaue Haarsträhne – die Farbe der regierenden Kaste! Divya holte tief Luft, neigte dann schnell den Kopf und legte die linke Hand auf die Brust. Das musste eine neue Schülerin sein. Ob sie sich bei Maita über Divyas Ausbruch beschweren würde?
    »Verzeih!«, sagte das Mädchen ebenso leise wie Divya. »Und bitte verrate mich nicht! Ich wollte so gern den Tanz der Kerzen sehen, deshalb hab ich mich hier versteckt.«
    Divya sah in den Garten. Niemand hatte den Zwischenfall bemerkt.
    »Ich bitte dich um Verzeihung!«, erwiderte Divya. »Ichwusste nicht … Ich dachte, weil du auf der Agida bist …« Sie schluckte den Rest hinunter, weil das Missverständnis nicht zu entschuldigen war. Doch die Fremde lächelte nur. Sie war eine richtige Schönheit, fand Divya. Ihre Augen waren so blau wie ihr Kleid, und sie betrachteten die Welt, als wäre sie gerade erst neu entstanden, voller Neugier. Selbst Divya. Der Blick der Schülerin ging nicht durch Divya hindurch, wie sie es von den anderen gewohnt war, und sie sprach sogar mit ihr!
    »Wenn du nicht möchtest, dass Maita es bemerkt, solltest du am Ende des Festes in deinem Bett liegen«, riet Divya vorsichtig. »Manchmal sieht sie nach. Möchtest du bis dahin nicht mitfeiern?«
    Die andere schüttelte den Kopf. »Ich darf noch nicht. Ich bin erst seit drei Tagen hier, und die Schulleiterin sagte, ich bräuchte noch eine Fest-Vesséla und müsse erst mal lernen, wie man sich bei einem solchen Anlass benimmt.«
    »Vor drei Tagen …«, fragte Divya zaghaft, »… hattest du deinen zwölften Geburtstag? … Wie ich!«
    Die Fremde strahlte. »Meine Kinderfrau hat immer gesagt: ›Wen die Lichter am gleichen Tag in die Welt führen, dem schenken sie auch eine Verbindung der Seelen.‹« Sie musterte Divya interessiert. »Wer weiß, was wir noch zusammen erleben
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