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Merlins Drache 01 - Basilgarrad

Merlins Drache 01 - Basilgarrad

Titel: Merlins Drache 01 - Basilgarrad
Autoren: Thomas A. Barron , Irmela Brender
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dir ins elende Gesicht sage, Feuerflügel!«
    Einen Moment lang betrachtete er finster das beschädigte Ei, an dem eine leblose Kralle aus einer Öffnung hing. Er wusste, dass dieses Ei wie die anderen seit Jahrhunderten unversehrt hier am Fluss gelegen hatte. Seit vielen Jahrhunderten. Denn obwohl er sehr wenig von magischen Geschöpfen verstand, war ihm klar: Je magischer die Kreatur, umso länger dauerte es, bis sie geboren wurde. Und nirgends auf dieser Insel Fincayragab es ein magischeres Geschöpf als einen Drachen.
    Doch dieser Schimmer von Wissen – dass er gerade etwas getötet hatte, das in seiner stillen Entwicklungszeit, seiner Vorbereitung aufs Leben so lange gebraucht hatte – bedrückte ihn nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil.
    »Jetzt gibt’s keine Hoffnung für dich, du gemeines kleines Biest«, knurrte er. »Wenn dein schuppiger Körper stirbt, krepiert auch deine hinterlistige Magie! Un bald is diese Insel deinesgleichen für immer los.«
    Er hob wieder das Schwert und ging hinüber zum nächsten Ei. Gerade als er näher kam, öffnete sich ein Loch in der Schale. Ein verdrehter, dünner Arm, mit schillernden violetten Schuppen bedeckt, drückte sich hindurch. Dann kam eine knochige Schulter, von der lavendelfarbener Schleim tropfte, danach eine zerknitterte Hautfalte, die schwach einem Flügel ähnelte. Schließlich stieß ein Kopf hervor, der von einem dünnen Hals mit purpurroten Schuppen getragen wurde.
    Der neugeborene Drache blinzelte mit den beiden dreieckigen Augen, die sich an die dunstige Helligkeit gewöhnten. Oranges Licht ergoss sich aus ihnen, als würden sie heißer glühen als Feuerkohlen. Dann hob der Drache eine seiner Klauen und versuchte, die gelbe Schwellung auf seiner Stirn zu kratzen. Aber er verfehlte sie und stieß sich stattdessen an die zarte Nase. Wimmernd schüttelte er den Kopf und ließ die langen blauen Ohren ans Gesicht klatschen. Als er damit aufhörte,fiel das rechte Ohr seltsamerweise nicht wieder herunter. Es streckte sich zur Seite – mehr wie ein Horn als ein Ohr.
    Plötzlich ahnte der kleine Drache Gefahr und erstarrte. Direkt neben ihm stand ein anderes Geschöpf, dessen Augen böse blitzten. Über seinem Kopf funkelte etwas Scharfes.
    Die Klinge sauste herunter. Wieder hallte ein schmerzliches Wimmern, fast ein Schrei über das Ufer. Der Fluss floss wie zuvor, seine Oberfläche war jetzt von dünnen Silberströmen gefärbt.
    Nicht weit entfernt, unten am Wasserrand, bebte der kleine grüne Kiesel leicht – fast als hätte er die Qualen der kleinen Drachen gespürt. Tief unter seiner harten Oberfläche drang ein dünner, klagender Schrei hervor.
    Denn auch er war eine Art Ei.

1
Eine lebende Brücke
    Die Erinnerung kann so heiß wie geschmolzene Lava sein oder so kalt wie ein gefrorener Gletscher. Aber sie ist sehr unzuverlässig. Und wenn sie klar und wahr zu dir zurückkommt, kann sie mit dem nächsten Windstoß verschwinden.
    Manchmal ist es noch nicht einmal eine Erinnerung. Nur eine Ahnung oder ein flüchtiger Eindruck oder ein Trugbild. Doch so merkwürdig das klingt, diese Art Erinnerung kann die wahrhaftigste von allen sein.
    Ein Jahr vor der Entstehung Avalons
    R egen durchtränkte Fincayras westliche Hügel. Wochenlang schüttete es endlos. Unaufhörlich ergossen sich die Wolken, jedes Feld und jeder Wald, jede Klippe und jedes Tal wurden durchnässt, bis die ganze Insel zu ertrinken drohte.
    Wasser schoss durch Schluchten, Ströme und Bäche. Einst grüne Täler begannen schlammigen Seen zu gleichen. Vögel flatterten hilflos in den Wolkenbrüchen und suchten nach sicheren Orten, wo sie ihre durchweichtenNester bauen konnten. Was aus den kleineren, zerbrechlicheren Geschöpfen wurde – den zarten Nebelfeen, den Schmetterlingen mit den lavendelfarbenen Flügeln und den geheimnisvoll schimmernden Leuchtfliegen   –, konnte niemand erraten.
    So mächtig war das ständige Unwetter, dass Varigal, die alte Stadt der Riesen hoch oben in den Bergen, völlig überschwemmt wurde. Während der Boden von den schweren Schritten heimatloser Riesen erzitterte, galoppierten Herden wilder Einhörner den steigenden Fluten davon, die jetzt ihre geliebten Lichtungen füllten. Schöpferische Männer und Frauen in der Stadt der Barden, die nach der brutalen Herrschaft von König Stangmar erst vor Kurzem wieder neu belebt worden war, versuchten, eine Wasseroper zu organisieren – doch selbst die leidenschaftlichsten Sänger gaben schließlich auf, als die
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