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Merlin und die Feuerproben

Merlin und die Feuerproben

Titel: Merlin und die Feuerproben
Autoren: Thomas A. Barron
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Und bringt keine Magie.«
    »Und wenn ich erfolgreich bin?«
    Cairpré strich sich übers Kinn. »Dein Instrument sollte von selbst spielen. Eine Musik, die fremdartig und kraftvoll zugleich
     ist. So war es jedenfalls in der Vergangenheit. Genau wie du gespürt hast, dass Magie zwischen dir und deinem Stab fließt,
     solltest du es bei dem Psalter spüren. Aber es müsste eine andere Stufe der Magie sein, anders als alles, was du zuvor erfahren
     hast.«
    Ich bewegte meine Zunge, um sie zu befeuchten. »Das Problem ist   … der Psalter wurde von Tuatha nicht berührt. Nur von mir.«
    Der Dichter drückte sanft meine Schulter. »Stell dir vor, ein Musiker – kein Zauberer, nur ein wandernder Sänger – spielt
     virtuos die Harfe. Ist die Musik dann in den Saiten oder in den Händen, die sie zupfen?«
    Verwirrt schüttelte ich den Kopf. »Was soll das? Hier reden wir über Magie.«
    »Ich gebe nicht vor, die Antwort zu kennen, mein Junge. Aber ich könnte dir einen Wälzer nach dem anderen zeigen mit Abhandlungen,
     manche von sehr weisen Magiern, in denen genau diese Frage erörtert wird.«
    »Dann werde ich dir eines Tages, wenn ich je selbst ein Magier sein sollte, die Antwort geben. Jetzt will ich nichts als meine
     eigenen Saiten zupfen.«
    Meine Mutter schaute von mir zu Cairpré und wieder zu mir. »Bist du überzeugt, dass es an der Zeit ist? Bist du wirklich bereit?
     Mein Lied kann warten.«
    »Ja.« Rhia drehte eine der Ranken, die ihre Taille umspannten. »Eigentlich bin ich jetzt nicht in der Stimmung für Musik.«
    Ich betrachtete sie prüfend. »Du glaubst, ich schaffe es nicht, stimmt’s?«
    »Nein«, antwortete sie ruhig. »Ich bin mir nur nicht sicher.«
    Ich zuckte zusammen. »Nun, die Wahrheit ist   … ich bin mir auch nicht sicher. Aber das weiß ich: Wenn ich noch länger warte, verliere ich vielleicht den Mut, es zu versuchen.«
     Ich sah Cairpré an. »Jetzt?«
    Der Dichter nickte. »Viel Glück, mein Junge. Und denk daran: In den Schriften heißt es, wenn hohe Magie kommt, dann kann auch
     anderes kommen – Überraschendes.«
    »Und Gesang«, ergänzte meine Mutter sanft. »Ich singefür dich, Merlin, was auch geschieht. Ob Musik in diesen Saiten ist oder nicht.«
    Ich hob den Psalter, während ich zugleich in die Äste der alten Eberesche hinaufschaute. Zögernd legte ich das schmale Ende
     des Instruments mitten an meine Brust. Als ich mit der Hand den äußeren Rand umfasste, konnte ich durch das Holz mein Herz
     klopfen hören. Die Brise legte sich; die raschelnden Ebereschenblätter wurden still. Selbst der graue Käfer vorn auf meinem
     Stiefel hörte auf zu kriechen.
    Flüsternd sprach ich die alte Beschwörung:
     
    »Bring, Instrument in meiner Hand,
    kühnen Zauber
    übers Land.
     
    Blüht, Töne, die der Psalter birgt,
    wie des Frühlings Seele
    wirkt.
     
    Dring, Melodie, von mir gespielt,
    tiefer als zuerst
    gefühlt.
     
    Schenkt, Mächte, mir anheim gestellt,
    neue Frucht
    dem dürren Feld.
     
    Erwartungsvoll drehte ich mich nach Cairpré um. Er stand regungslos, nur seine Blicke schweiften umher. Die üppigen Hügel
     des Drumawalds hinter ihm schienen erstarrtzu sein – so unbeweglich wie die Schnitzereien auf meinem Stab. Kein Licht flirrte über die Zweige. Kein Vogel flatterte oder
     sang.
    »Bitte«, sagte ich laut zu dem Psalter, der Eberesche, zur Luft. »Das ist alles, was ich will. So hoch steigen, wie ich nur
     kann. Alle Gaben, alle Kräfte, die du mir geben kannst, annehmen und nicht für mich verwenden, sondern für andere. Mit Weisheit.
     Und, hoffe ich, mit Liebe.
Um neue Frucht dem dürren Feld zu schenken.
«
    Ich spürte nichts und der Mut verließ mich. Ich wartete und hoffte. Immer noch nichts. Zögernd ließ ich den Psalter sinken.
    Da fühlte ich eine fast unmerkliche Regung. Nicht in den Blättern über mir. Auch nicht im Gras zu meinen Füßen. Noch nicht
     einmal in der Luft.
    In der kürzesten Saite.
    Während ich zusah und mein Herz gegen den Holzrahmen trommelte, fing das entfernte Ende der Saite an sich zu drehen. Langsam,
     langsam hob es sich wie der Kopf eines Wurms, der aus einem Apfel kriecht. Es stieg höher und zog die Saite mit sich. Auch
     das andere Ende erwachte und wickelte sich um den Wirbel. Bald regten sich auch die anderen Saiten, ihre Enden rollten sich
     auf, sie spannten sich.
    Sie stimmten sich! Der Psalter stimmte sich selbst.
    Allmählich wurden die Saiten ruhig. Ich schaute auf und sah, wie Cairpré lächelte. Er
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