Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit
Autoren: Ilse Rothfuss
Vom Netzwerk:
wie du behauptest, wie kommt es dann, dass du immer alles hinterfragst? Seit ich dich kenne, hast du nur einen Gedanken: dich zu befreien, freizukommen, in jedem Leben ein bisschen mehr. Alles umzuwerfen, was die acht mächtigsten Wesen im Universum für dich beschlossen haben.“
    Ich erstarre bei seinen Worten, erkenne zugleich Wahrheit und Ketzerei darin.
    Es stimmt, dass ich meinesgleichen nicht mehr verstehe, dass ich mich in gewisser Weise weiterentwickelt habe, sei es zum Guten oder zum Bösen. Vielleicht bin ich im Laufe der Zeit menschlicher geworden, als es einem Wesen wie mir guttut. Denn ich fühle Schmerz, Angst und Kummer, obwohl ich nicht dazu erschaffen wurde.
    „Waren sie alle da? Die Acht, meine ich? In der Galleria?“, fragt Ryan unvermittelt.
    Ich schüttle heftig den Kopf, sehe Luc vor mir, wie er K’el niedermetzelt, und der Schmerz wallt erneut in mir auf. Ich lasse mich nach vorne fallen und verschränke die Arme vor der Brust, um den Kummer zu bezähmen.
    „K’el hat mich beschützt, und es war das Letzte, was er tat“, stoße ich hervor. „Obwohl ich ihn nie genug geliebt habe, um ein solches Opfer zu verdienen.“
    „K’el?“ Ryan wird sofort hellhörig. Ich weiß, was er vor sich sieht: eine schimmernde Riesengestalt mit lohfarbenem Haar – unbeugsam, ehrenhaft, streng, mit goldenen Augen wie die eines jungen Löwen –, die zwischen mir und Luc steht.
    „Eigentlich hätte Raphael da sein müssen“, flüstere ich. „Aber er hat es nicht geschafft. Und Jehudiel auch nicht. Und Selaphiel ist seit einer Weile … verschollen.“
    „Verschollen?“, fragt Ryan scharf.
    Ich höre die Enttäuschung in seiner Stimme, während er die wenigen Puzzleteile, die ich ihm in die Hand gegeben habe, vergeblich zu einem Ganzen zusammenzufügen versucht.
    „Entführt“, erkläre ich düster. „Alle drei, von Lucs Dämonen. K’el ist nur für Raphael eingesprungen. Er war überfordert mit seiner Aufgabe und hat mit dem Tod bezahlt. Ein unverdienter Tod. K’el war einzigartig und vollkommen, Ryan, und wird nie wieder neu erschaffen werden. Mehr kann ich dir nicht verraten und den Rest brauchst du auch nicht zu wissen.“
    Ryan packt mich an den Oberarmen und reißt mich heftig zu sich herum. „Warum vertraust du mir nicht?“, zischt er wütend. „Du machst einen Fehler, wenn du mich unterschätzt, Mercy. Und behandle mich gefälligst nicht so von oben herab. Das hab ich echt nicht verdient. Wer ist er, Mercy? Der, der dich bedroht hat? Er ist schuld an K’els Tod, hab ich Recht? Er ist der wahre Grund dafür, warum Raphael und die anderen verschwunden sind und warum die Acht dich so lange verstecken mussten, in so vielen verschiedenen Menschen. Ich bin nicht so dumm, wie du anscheinend glaubst.“
    Ich zittere bei seinen Worten, als sei ich von einem tödlichen Fieber befallen. Zwing mich nicht, es dir zu sagen, Ryan. Bitte.
    „Jetzt sag schon, Mercy, wer?“, drängt Ryan. „Dieser … Erzengel“, er stolpert über das Wort, „der so aussieht wie ich? Wenn er keiner der Acht ist, wer ist er dann?“
    Ryan hat ein einzigartiges Talent, einen Finger auf die Wunde zu legen, meine Wunde – das müsste ich doch langsam wissen.
    „Er hat dich gequält, und ich war drauf und dran, ihn zu töten! Töten! “, ruft er und rüttelt mich wieder.
    Ich höre die Erschütterung in seiner Stimme, sehe das Entsetzen in seinem Blick, als er mich mit geweiteten Augen anschaut. Er hat dasselbe Bild im Kopf wie ich: Luc, der mit ausgebreiteten Armen hoch oben in der Glaskuppel schwebt, in Flammen gehüllt und brüllend vor Lachen.
    „Er hat gebrannt“, sagt Ryan schaudernd, „aber er ist nicht gestorben. Und ich wollte, dass er stirbt, weil er dir wehgetan hat. Wer war das?“
    Ich betrachte Ryan aufmerksam. Eine Sekunde lang sehe ich Augen, die so hell sind wie splitterndes Wasser, wie lebendiges Eis. Aber Ryans Augen sind braun. Ich sehe leuchtend goldenes Haar, statt seinem dunklen, und schimmernde goldene Haut, dabei ist Ryan ganz blass. Er könnte ein verkleideter Luc sein. Nur war Luc nie sterblich und verletzlich und wird es auch nie sein. Ob Ryan eine Warnung an mich verkörpert? Ich war nie ein guter Zeichenleser, nachdem ich auf die Erde hinuntergestürzt wurde und ehe ich aus eigener Kraft herausfinden konnte, wer ich bin und worin mein Daseinszweck besteht.
    „Jetzt sag schon!“, beharrt Ryan mit rauer Stimme.
    „Er ist kein Erzengel“, murmle ich. „Jedenfalls jetzt nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher