Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit
Autoren: Ilse Rothfuss
Vom Netzwerk:
Engel …“
    Er schaut mich vorsichtig von der Seite an, um zu sehen, wie ich reagiere.
    Ich senke verwirrt den Kopf unter seinem Blick, und jetzt fällt auch mir eine Haarsträhne ins Gesicht, nur dass meine Haare glatt und braun sind und nicht schwarz wie seine. Ryan beugt sich vor, streicht mir sanft die Haarsträhne hinters Ohr und zeichnet flüchtig die Konturen meines Kinns nach, als könnte er der Versuchung nicht widerstehen. Seine Berührung bewegt mich zutiefst, ist so verdammt menschlich, dass ich spüre, wie sich etwas Kaltes, Hartes in mir löst.
    „Du bist auf einmal so wirklich “, krächzt Ryan.
    Zum Glück ist mein Selbsterhaltungstrieb inzwischen stark genug und ich weiche schnell zurück, warne ihn rau: „Bitte nicht.“
    „Oder was?“ Seufzend lehnt er seinen Kopf wieder an die Wand. Es ist so kalt hier drinnen, dass sein Atem weiß aus ihm herausströmt, wie eine Wolke oder eine ausgehauchte Seele.
    „Wenn du wüsstest, was ich mir für verrücktes Zeug über dich zusammengereimt habe“, murmelt er. „Lauter hirnrissige Theorien. Ich bin einfach losgezogen und hab Nachforschungen angestellt, wie du’s mir gesagt hast, damit ich nicht vollends in Kummer und Selbstmitleid versinke …“ Er wirft mir einen flüchtigen Blick zu. „Ich kann mir immer noch nicht erklären, wie so was möglich sein soll … Ich kann mir dich nicht erklären. Du hast mein ganzes Weltbild über den Haufen geworfen – alles, woran ich je geglaubt habe. Ich finde, du bist mir ein paar Erklärungen schuldig.“ Seine Stimme klingt jetzt angespannt. „Das kann ich doch wohl erwarten.“
    Ich weiche in meinen sicheren Winkel zurück und begegne vorsichtig seinem Blick.
    „Irgendwie hab ich das Gefühl, dass die Karten jetzt wieder neu gemischt sind“, fügt er hinzu. „Als hätten wir die Erlaubnis bekommen, noch mal ganz von vorne anzufangen …“
    „Erlaubnis?“, wiederhole ich und lache bitter. „In welchem Universum hätten wir zwei denn eine Chance? Und wer soll ‚die Erlaubnis‘ erteilt haben?“
    Ich schaue weg, bin beschämt von der Zärtlichkeit in seinem Blick, und der Sturm in mir rüttelt an seinen Fesseln, drängt mich, ihn freizulassen.
    „Du musst mir alles erklären“, beharrt Ryan. „Ich muss doch wissen, mit wem …“
    „Mit wem du es zu tun hast?“, falle ich ihm ins Wort.
    Er funkelt mich an, und ich schäme mich sofort für meine Feigheit, weil ich genau weiß, was er sagen wollte.
    „Wenn du es so nennen willst“, erwidert er gekränkt.
    Ich blicke auf meine Hände hinunter, will ihn anfassen, ihm sagen, dass ich seine Liebe nicht verdiene. Vielleicht wusste ich nicht einmal, was Liebe ist. Wie denn auch, wenn ich mir als meine erste große Liebe eine Kreatur erwählt habe, die bald darauf der Teufel wurde?
    Ich schaudere und Ryan schaut mich stirnrunzelnd an.
    „Abgemacht?“, fragt er so leise, dass ich ihn kaum verstehen kann.
    Ich antworte lange nicht, weil das alles vermintes Gelände ist und ich Ryan nur wehtun würde, wenn ich ihm davon erzähle, und das ist das Letzte, was ich will.
    „Du hast es versprochen.“ Ryan holt zitternd Luft. „Und ich bin deinetwegen fast gestorben.“
    „Ja und? Hab ich dich nicht zurückgeholt?“, fauche ich und fahre wütend zu ihm herum. „Also beschwer dich nicht.“
    „Ich war schon total am Boden, als du mich das erste Mal verlassen hast“, sagt Ryan und seine Stimme ist nur ein Flüstern. „Also ist es deine verdammte Pflicht, das wiedergutzumachen. Und du hast noch nicht mal damit angefangen! Außerdem kannst du nicht ewig kneifen und abstreiten, was zwischen uns ist. Du hast ein Recht auf … Liebe, genauso wie jeder andere.“
    Er bringt das Wort kaum über die Lippen. Er kann ja nicht wissen, dass ich alles längst in seinem Herzen gesehen habe, dass ich ihn studiert habe wie eine Landkarte oder die Himmelskonstellationen.
    „Du musst mich endlich einweihen“, murmelt er beschwörend. „Du hast es versprochen.“
    „Was?“, sage ich und weiche mit letzter Kraft zurück. „Was hab ich dir versprochen? Und wer bin ich, dass ich überhaupt etwas versprechen kann?“
    Ryans Gesicht wird weich, als er mich ansieht. „Du hast versprochen, dass du mir nie wehtun wirst“, wispert er. „Weißt du noch? Damals, als Lela. Und dann bist du einfach vor meinen Augen gestorben. Das war, als ob ich selber erschossen worden wäre. Ich hab sogar an mir runtergeschaut, ob ich blute …“
    Ich schließe die Augen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher