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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit
Autoren: Ilse Rothfuss
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mehr. Ich habe ihn Luc genannt“, füge ich widerstrebend hinzu, „aber du kennst ihn als Luzifer, Ryan.“
    Ryan wird blass, als ihm endlich die Wahrheit dämmert: dass er es mit dem leibhaftigen Teufel zu tun hat.
    Wie auf ein Stichwort zerreißt ein markerschütterndes Kreischen die sturmgepeitschte Nacht. Lange hallt es in der Stille wider, die sich im Inneren der Steinfestung über Ryan und mich gesenkt hat.
    Dann folgt der nächste Schrei – diesmal lauter und näher – und wir zucken beide zusammen. Ein helles Licht fällt durch das kleine Fenster, das in die Mauer über unserem Treppenabsatz eingelassen ist, und verharrt dort für eine Weile. Wie gelähmt vor Angst starren wir hinauf, bis es plötzlich erlischt.
    Ryan lässt mich abrupt los und lehnt sich an die Wand.
    Ich ziehe meine Knie unters Kinn und umschlinge sie mit den Armen. „Also jetzt siehst du, wie hoffnungslos es ist.“
    Statt einer Antwort schließt Ryan nur die Augen und legt seinen Kopf zurück, als könnte er meinen Anblick nicht länger ertragen.
    Ich bin keine Quasselstrippe und Small Talk liegt mir nicht, aber jetzt fülle ich hastig das Schweigen, indem ich Ryan die älteste Geschichte der Welt auftische. Von einem Mädchen, das einen jungen Mann in der Menge entdeckt und sich sofort unsterblich in ihn verliebt.
    „Es war wie eine Krankheit“, murmle ich. „Wir waren jung, zu Dingen fähig, die kein Sterblicher auch nur zu denken wagt. Wir waren … besessen voneinander, von den Wundern, die wir bewirken konnten. Wir glaubten, dass wir uns über die Ordnung der Dinge hinwegsetzen könnten. Regeln waren in unseren Augen dazu da, gebrochen zu werden. Wir haben die anderen ausgelacht, weil wir uns überlegen fühlten, weil sie nicht unser tieferes Wissen von den Dingen besaßen. Das ganze Universum war unser Spielplatz und Luc hatte eine besondere Schwäche für deine Welt. Wenn er von seinen Ausflügen hierher zurückkam, erzählte er von einem magischen Ort namens ‚Garten Eden‘. Und es war blanker Hohn, dass er später meinetwegen auf die Erde verbannt wurde, wo sein Hass, seine Rachsucht, das Böse in ihm nur immer stärker wurden.“
    Ob Ryan mein stummes Flehen hört?
    Ich habe mich in den Falschen verliebt, Ryan, das war mein einziger Fehler. Ich habe Luc gewählt, obwohl ich Raphael, ja sogar K’el hätte nehmen sollen. Aber dann wäre ich dir nie begegnet …
    „Luc war schon damals ein Unruhestifter, der immer wilder über die Stränge schlug. Wir Elohim waren zum Herrschen erschaffen, verstehst du? Die fleischgewordene Pflichttreue, Verantwortung und Gläubigkeit. Aber Luc hat alle Macht, die in ihm gebunden war, jeden unausgesprochenen Pakt zwischen uns und unserem Schöpfer, einfach alles, was in unseren innersten Wesenskern eingeschrieben ist – du sollst, du sollst nicht  – für seine Zwecke missbraucht, nur so zum Spaß.
    Das Leben mit ihm war ein einziger Höhenflug, berauschend und erschreckend zugleich. Luc hat sich fast von Anbeginn zum Gott erhoben, hat erschaffen und zerstört, die belebte und unbelebte Welt aus den Angeln gehoben und nach seiner Fasson umgestaltet, nur weil er die Macht dazu hatte. Er war so anders als die übrigen Elohim, frei irgendwie. Und schöner als die Sonne. Und darauf bin ich hereingefallen.
    Mag sein, dass ich nicht im selben Maß gefrevelt habe wie Luc, aber ich habe ihn auch nicht aufgehalten. Ich war dabei und habe alles mit angesehen, habe zumindest beide Augen zugedrückt, obwohl ich doch hätte wissen müssen, dass Luc sich nie mit der Ordnung der Dinge zufriedengeben würde.“
    Das alles erzähle ich Ryan und er sagt nichts, öffnet nicht einmal die Augen.
    „Ich war lange Zeit verblendet“, beende ich leise meine Geschichte. „Ich dachte immer, die Acht hätten mich verbannt, aus meinem Zuhause verjagt, mich von allem getrennt, was ich liebte, von all meinen Brüdern. Dabei war es Lucs Werk. Die Acht haben alles getan, um mich hier unten irgendwie am Leben zu erhalten, und trotzdem konnten sie nicht verhindern, dass Luc meinen schlafenden Geist mit Sehnsucht und Lügen vergiftete. Luc und Michael haben damals einen verhängnisvollen Pakt geschlossen, und Luc hat daran gedreht, das Ganze ins Böse verkehrt, wie er es immer macht. Er hat mich aus dem Himmel geschleudert, was beinahe mein Tod gewesen wäre. Und er hat auch nicht damit gerechnet, dass ich überlebe. Oder dass er selbst von Michael aus dem Himmel gejagt werden würde. Seit dieser Zeit ist Luc
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