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Mercy, Band 2: Erweckt

Mercy, Band 2: Erweckt

Titel: Mercy, Band 2: Erweckt
Autoren: Rebecca Lim
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knochige Brust. Ich folge Lelas Impulsen, ohne eine Sekunde lang überlegen zu müssen. Lela liebt ihre Mutter, und an manche Dinge erinnert sich der Körper, wie ich inzwischen weiß.
    „Danke, Liebes“, wispert die Frau. „Geh jetzt. Und iss was, ja? Und mach dir keine Sorgen um mic h – Georgia kommt bald, wie üblich, und am Nachmittag dann auch noch die Pflegerin, um mich zu baden. Und ich hab ja meine Pumpe, also kann mir nichts passieren. Pater Davey hat angerufen und gesagt, dass er vorbeischauen will, weiß der Himmel warum. Als ob der Tod schon vor der Tür stünde!“ Sie schenkt mir ein schwaches Lächeln.
    Aber es ist kein Scherz, das wissen wir beide. Erschöpft schließt sie ihre schmerzumflorten Augen. „Also, mein Schatz, dann bis heute Nachmittag um fünf. Hab dich lieb.“
    Ich halte inne, will sie nicht in die Wirklichkeit zurückreißen, aber ich habe keine Ahnung, wo ich mit Lelas Leben beginnen, wie ich sie glaubwürdig durch den Tag bringen soll.
    „Mum“, sage ich und rüttle sanft an ihrer Schulter, „wo finde ich seine Visitenkarte, damit ich ihn anrufen kann?“
    Lelas Mutter runzelt müde die Stirn, hat nicht mehr die Kraft, ihre Augen zu öffnen. „Karte?“, murmelt sie. „Was für eine Karte?“
    „Die Karte von M r Dimowski“, erwidere ich. Der Name kommt mir nur schwer über die Lippen. „Ich will ihn lieber vorher anrufen. Dann ist er nicht so wütend.“
    Sie schweigt lange, vielleicht ist sie wieder eingeschlafen? Dann werde ich mir die nötigen Informationen auf andere Weise beschaffen müssen. Ich spähe in den schummrigen Flur dieses fremden Hauses hinaus. Wie viele Zimmer gibt es hier und ist die Telefonnummer überhaupt irgendwo notiert? Vielleicht existiert sie nur in Lelas Kopf? Überall türmt sich Krimskrams, alles ist verstaubt. Die Krankheit von Lelas Mutter hat die Zeit an diesem Ort angehalten: Nichts zählt mehr, außer die Schmerzen der Kranken zu lindern, und sie am Leben zu erhalten.
    Aber die Frau stirbt, die Behandlung hat nicht angeschlagen. Ich spüre die Krankheit in ihr, ich rieche die Medikamente, die aus den Poren ihrer Haut dringen. Es gibt keine Stelle ihres Körpers, die nicht befallen ist, die nicht vom Krebs zerstört wird.
    Weiß Lela, wie es um sie steht? Ist ihr das wirklich klar?
    Endlich antwortet die Frau, so leise, dass ich sie kaum höre. „Ich weiß nichts von einer Karte, Liebes, aber es steht im Buch.“
    Dann hustet sie minutenlang.
    Als sie endlich wieder zur Ruhe kommt, frage ich verwirrt: „Was für ein Buch?“
    Eine winzige Falte bildet sich zwischen ihren geschlossenen Lidern. „Im Telefonbuch, Lela. Das Green Lantern steht doch sicher im Telefonbuch? Und das Telefonbuch ist in der Küche an seinem üblichen Platz, falls du es nicht woanders hingelegt hast. Kannst du nicht Reggie bitten, dass sie es M r Dimowski ausrichtet, damit du nicht selber mit ihm sprechen musst? Du hast ihr ja schließlich auch oft genug geholfen, weiß der Himmel waru m …“
    Ich lausche auf die flachen Atemzüge der Kranken, beobachte, wie sich ihr Brustkorb hebt und senkt, bis sie endlich einschläft.
    Es wird Zeit, die Dinge in die Hand zu nehmen, denke ich grimmig. Dabei würde ich viel lieber einfach nur schlafen und den Traum, an den ich mich jetzt kaum noch erinnern kann, in alle Ewigkeit weiterträumen. Ich begegne Lelas Blick im Spiegel, als ich ihre Füße in die ausgetretenen Pantoffel neben dem Lehnsessel schiebe.
    Um 7.2 7 Uhr verlasse ich das Haus, Lelas Rucksack über der Schulter, ihre Dauer-Buskarte in der Hand. Die Haltestelle ist keine hundert Meter entfernt, und während ich darauf zugehe, fährt gerade ein Bus weg.
    Außer mir warten noch zwei andere Leute an der Haltestelle, eine Frau und ein junger Typ; beide hören Musik, verschanzen sich hinter ihren Kopfhörern. Die Frau ist groß und breitschultrig, ihre Augen sind verquollen. Sie trägt eine Jogginghose und eine weite weiße Bluse, ihre dunkelbraunen Locken sind zu einem dicken, struppigen Zopf zusammengezwirbelt. Ihre Füße stecken in billigen Strandlatschen und über der Schulter trägt sie eine schwarze Ledertasche. Sie ist jung, ihr Gesicht ungeschminkt, aber ihre harten, misstrauischen Züge lassen sie älter aussehen, als sie vermutlich ist. Zusammengesunken steht sie da, wodurch sie noch formloser wirkt. Dabei hat sie eine echte „Stundenglasfigur “ – so heißt das doch ? – mit absoluten Killer-Kurven.
    Der Typ ist Anfang zwanzig oder noch jünger,
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