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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto
Autoren: Klaus Mann
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daß ein Kunstwerk wie ›Mephisto‹ von Richtern mit der Elle der Realität gemessen wird. Damit wird der Kunst die Freiheit genommen, die ihr als ›höherer‹ Wirklichkeit zusteht. Dadurch klammerten sich die Richter, die das so sahen, am Besonderen, dem persönlichen Hintergrund, fest, um das Allgemeine und damit das Politische des Stoffes um so leichter zu verdrängen. Ging es im Roman selber um den Pakt der Kunst mit der Macht, war es in der Auseinandersetzung um den Roman die Macht (der Gerichte), die der Kunst ihren Freiraum als Gegenwirklichkeit versagte.
    Wie gezeigt, hatten sowohl der Bundesgerichtshof wie das Bundesverfassungsgericht von sich aus schon die Frage der zeitlichen Begrenzung des Verbots erwogen und befunden, ›daß das Rechtsschutzbedürfnis des verstorbenen Gründgens in dem Maß schwindet, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblaßt‹.
    Ist sie verblaßt? Vor über vier Jahren, im November 1976, veranstaltete der Sender Freies Berlin auf dem Hermann-Platz in Berlin-Neukölln eine Umfrage unter Passanten mit der Frage ›Wissen Sie, wer Gustaf Gründgens war?‹. Das Ergebnis zeigt, daß damals bereits die Erinnerung an den einst so berühmten Schauspieler tatsächlich geschwunden war. (Umfrage von PeterSandmeyer 14 ):
     
    Sandmeyer: Wissen Sie, wer Gustaf Gründgens war?
    Passant 1: Nä! Keine Ahnung.
    Sandmeyer: Wissen Sie, wer Gustaf Gründgens war?
    Passant 2: Na, 'n Theaterregisseur, warum?
    Sandmeyer: Können Sie sich noch an den erinnern?
    Passant 2: Naja, na der is ja nu schon – wie lange is det her? – jute zehn Jahre tot, wa?
    Sandmeyer: Wissen Sie, wer Gustaf Gründgens war?
    Passant 3: Nee.
    Sandmeyer: Noch nie gehört den Namen?
    Passant 3: Nee.
    Sandmeyer: Sie sind Schüler, beide, darf ich Sie mal fragen, wissen Sie, wer Gustaf Gründgens war?
    Passant 4: Ein Schauspieler war das ja.
    Passant 5: Ich wüßte't nich.
    Sandmeyer: Sie wissen's nicht. Schauspieler stimmt. Können Sie sich an den erinnern, haben Sie ihn mal gesehen?
    Passant 4: Nein, das seh ich nur vom Namen her.
    Passant 6: Gründgens? Ja, ist mir bekannt vom Namen her, aber, was er besonderes getan hat, weiß ich leider nicht.
    Sandmeyer: Wissen Sie denn noch was über Gründgens' Verhalten im Dritten Reich?
    Passant 7: Also er war so 'n bißchen Linkshänder, nich wahr? Verstehste – anders veranlagt. Im Dritten Reich, ja was hat er da gemacht? Ick gloobe, det war 'n bißchen Nazi. Gott, wer war das nich, ich war's nich.
    Passant 8: Gustaf, wie heißt der?
    Sandmeyer: Gründgens.
    Passant 8: Nä, kenn ick nich.
    Sandmeyer: Wissen Sie, wer Gustaf Gründgens war?
    Passant 9: Ja, Schauspieler.
    Sandmeyer: Wissen Sie zufälligerweise was über sein Verhalten im Dritten Reich?
    Passant 10: Also Nationalsozialist war er nich, also war er gegen die Nationalsozialisten.
     
    Demnach besteht wohl kein Zweifel, daß ein ›nicht unbedeutender Leserkreis‹, der 1963 ›nicht unschwer den Schauspieler Gustaf Gründgens in Höfgen wiedererkannt hatte‹, heute stark abgenommen hat. (Die Zitate hier wie in dem folgenden Absatz sind dem Wortlaut der Urteile entnommen.)
    Entsprechend dürfte auch das ›allgemeine Interesse‹ an dem vor siebzehn Jahren verstorbenen Gustaf Gründgens ›geschwunden‹ sein. Außerdem können die an Gründgens noch heute besonders Interessierten durch Publikationen, die seit seinem Tod erschienen sind, sich ›ein genaues Bild über die Persönlichkeit‹ des ehemaligen Schauspielers und Generalintendanten der Preußischen Staatstheater machen. Es sei auch auf die seit Anfang des Jahres 1980 in Düsseldorf gezeigte Gründgens-Ausstellung verwiesen, die noch durch einige andere Städte der Bundesrepublik gehen wird. Sie erhebt den Anspruch, eine historisch getreue Dokumentation zu vermitteln, besonders in bezug auf Gründgens' politisches Verhalten und sein Eintreten für politisch Verfolgte im Dritten Reich. Gerd Vielhaber verweist in einerBesprechung 15 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung besonders auf eines der Stichworte der Ausstellung, nämlich ›Mephisto und die Nazi-Zeit‹. Dort sei mit Hilfe der Dokumente die Fehleinschätzung des angeblichen politischen Opportunisten und Karrieristen Gründgens in seiner prekären Position als Görings Staatstheater-Intendant korrigiert:
    ›Die Fakten sprechen für sich. Bewußt zeigt die Ausstellung auch das mit dem Hakenkreuz versehene Plakat von Ariane Mnouchkines Pariser , Mephisto ‘-Inszenierung nach dem (hierzulande immer
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