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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto
Autoren: Klaus Mann
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bis unmittelbar vor ihrer Auswanderung weiter freundschaftlichen Kontakt mit Gustaf Gründgens hatten.
    Diese Umdeutung des Haß-Motivs vom Politischen ins Private kann man mit den Urteilen als ›Resultat eines sublimen Verdrängungsprozesses‹ in Zusammenhang bringen, wie W. F.Schoeller 11 das bezeichnete. Einer der bekanntesten Justizkritiker, der Stuttgarter Oberlandesgerichtspräsident i.R. RichardSchmid 12 ; hat das so ausgedrückt:
    ›Die Entscheidung scheint mir ein Musterfall dessen, was Pascal meint, wenn er sagt Tout notre raisonnement se réduit à céder au sentiment. (Unsere ganzen Überlegungen laufen darauf hinaus, dem Gefühl nachzugeben.) Das Gefühl sprach offenbar für Gründgens und gegen Klaus Mann.‹
     
    Und ein nicht minder namhafter kritischer Jurist, der hessische Generalstaatsanwalt FritzBauer 13 , äußerte sich schon 1966 (zu dem Oberlandesgerichtsurteil):
    ›Daß Klaus Mann seinen Schwager subjektiv gesehen hat, liegt nahe, das ist Sache des Künstlers, das ist Sache des Historikers, das ist im Grunde genommen unumgänglich. Die Selbstgewißheit des Historikers habe ich nie begriffen; jede Deutung, ob es nun Wallenstein ist oder Johann Wolfgang von Goethe, ist immer subjektiv, die reine Wahrheit wird sich nicht feststellen lassen, die Wahrheit ergibt sich nur aus der Diskussion. Und das Urteil von Hamburg verletzt nun eigentlich das Recht auf Diskussion, auf das Recht der Meinungsbildung über einen Mann wie Gründgens. Ich habe es besonders tief bedauert, und in einem Teil der Presse ist es auch besonders unterstrichen worden, daß hier auch noch politische Akzente hineingetragen worden sind, nämlich Klaus Mann vorgeworfen worden ist, daß er Gründgens aus der Welt des Emigranten sieht, was im Grunde genommen ein irrationales Element darstellt – aber eigentlich schon von vornherein die ganze Fragwürdigkeit dieser Rechtssprechung darstellt. Daß die Emigration die Verhältnisse in Deutschland anders gesehen hat, als derjenige, der nicht emigriert ist, ist ganz selbstverständlich. Das ist historisch, es ist literarisch wichtig: wie sah die Emigration ihr früheres Heimatland? Das ist an sich schon ein Beitrag zur Geschichte und zur Sozialpsychologie unserer Zeit …
    Die Antwort kann überhaupt nur lauten, daß die Pressefreiheit nicht ihre Grenze finden kann im Persönlichkeitsrecht an dem Anspruch eines Mannes, ein ganz bestimmtes Bild festgelegt zu sehen. Jeder von uns schwankt also in der Geschichte, oder sein Bild schwankt in der Geschichte, und Verleger, Autoren müssen sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, daß ihnen von vornherein Grenzen gesetzt sind, daß ihnen von vornherein ein bestimmtes Bild von Menschen gegeben wird, und ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie ist das Bild Friedrichs des Großen umstritten, wie sieht Friedrich der Große in einer deutsch-nationalen Literatur aus, wie sieht Bismarck aus, oder wie sieht etwa Golo Mann Bismarck? Sollen nun etwa die Erben von Bismarck kommen und sagen, das Bild von Bismarck, wie es Golo Mann gezeichnet habe, sei vollkommen verzeichnet, es sei negativ? Also auch hier gilt grundsätzlich für mich das Recht der freien Meinungsäußerung. Wir haben das Recht auf eigenes Bild dann nicht, wenn es sich um eine Person der Zeitgeschichte handelt; jedermann der Zeitgeschichte, ob heute oder in der vergangenen Zeit, muß es sich gefallen lassen, mit subjektiven Augen gesehen und bewertet zu werden. Ich wollte das eigentlich nur sagen, um das Problem zu umreißen.‹
    Im Gegensatz zu Bauer meine ich allerdings, daß das Politische nicht in den Prozeß hineingetragen wurde, sondern von Anfang an darin war. Es handelte sich um einen politischen Prozeß – weil eben der Roman selber politisch durch und durch ist. Im Vorwort zur dramatischen Bearbeitung des Stoffes durch Ariane Mnouchkine wies ich auf die Bewußtmachung des Politischen mit den Mitteln des Theaters hin, auf die ›Trauerarbeit‹ einer nichtdeutschen Regisseurin, bei der ein Lehrstück für uns und für die Richter zustande kam. Nur die Richter der 1. Instanz (am Landgericht Hamburg) hatten die Chance, jung genug zu sein, um nicht im Schatten der Vergangenheit zu stehen. In den weiteren Gerichtsinstanzen mußte die Freiheit der Kunst hinter dem Schutz einer (verstorbenen) Persönlichkeit und der Menschenwürde zurücktreten. Schließlich scheiterte unsere Verfassungsbeschwerde an einem im wahren Wortsinn ›phanta-sie-losen‹ Kunstverständnis, das zuließ,
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