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Menschenkinder

Menschenkinder

Titel: Menschenkinder
Autoren: Herbert Renz-Polster
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Entscheidung), ob sie ihr Kind nachts bei sich haben will (dito), ob sie ihr Kind in eine Krippe gibt oder nicht. Und welchen Grund, bitteschön, sollten wir haben, bei allem, was wir tun, zuallererst das Risiko zu sehen? Ja, es sind schon Babys aus den Armen ihrer Eltern gefallen – heißt das, dass wir unsere Kinder deshalb nicht mehr in den Arm nehmen sollen? Wo mögliche Risiken
absolut gesetzt werden, bleibt möglicherweise das Leben auf der Strecke.
    Und warum geht es immer zuallererst um das, was wir den Kindern zu bieten haben? Die richtige »Förderung«, der Baby-Schwimmkurs, der tolle Kindergeburtstag, die neue »Methode« ... Kinder gedeihen nicht durch das, was wir für sie tun , sie gedeihen durch die Beziehungen , in denen sie leben. Das ist die Matrix, in der sie lernen, das war schon immer der Grundstoff ihrer Entwicklung. Nicht das tolle Servicepaket, das wir für sie zusammenschnüren.
    Wie wollen wir zusammen leben? Was wollen wir für uns selbst? Das ist für mich die entscheidende Frage, noch bevor wir Forderungen stellen. Ja, vielleicht wird die Erziehungsdebatte erst dann weiterkommen, wenn wir uns selbst auf die Suche machen. Denn solange wir nicht mutiger und offener werden, bleiben wir Spielball der Meinungen, des seichten Gesäusels im Strom der Zeit. Babys müssen eine Zeichensprache lernen, damit sie »kommunizieren« können. Ach ja? Wird schon stimmen! Nur das Kinderkriegen in einer Klinik ist eine sichere Wahl. Wirklich? Wenn die Ärzte das sagen, wird es wohl so sein. Die Kindergärten sollten mehr für die Bildung tun. So so. Ohne Noten in der Schule geht es nicht. Echt nicht?
    Es ist an der Zeit, dass wir uns nicht mehr hinter gängigen Meinungen verstecken. Es ist an der Zeit, dass wir uns ein eigenes Bild machen von dem, was Menschenkinder für ihr Leben brauchen.

FAZIT: ERZIEHUNG NEU DENKEN
    In der Erziehungsdebatte geht es zu wie an der Diätfront. Groß raus kommt, wer Großes verspricht. Je größer, desto besser. Abnehmen im Schlaf!
    Nehmen wir einmal Amy Chua mit ihrem »chinesischen« Erziehungsmodell. Erziehung gilt bei ihr dann als geglückt, wenn ein Kind Klassenbestes ist – in allen Fächern wohlgemerkt (außer in Sport). Nun sind in einer Klasse etwa 30 Kinder, da sind 29 eben nicht die Klassenbesten – aus rein arithmetischen Gründen. Das ändert sich auch dann nicht, wenn wir die Kinder rund um
die Uhr auf Siegen drillen. Frau Chua mag Ehrgeiz haben, aber wenig Logik.
    Aber immerhin ist sie ehrlich: »Die Achillesferse des chinesischen Erziehungsstils ist sein Umgang mit dem Scheitern: Diese Möglichkeit ist einfach nicht vorgesehen.«
    Was für ein geniales Erziehungskonzept! Was für eine praktische Hilfe für reale Kinder in einer realen Welt!
    Bleiben wir bei der Arithmetik. Michael Winterhoff behauptet: 70% der deutschen Kinder seien »gestört«. Das stellt mich vor ein persönliches Rätsel. Da ist das Abendland am Untergehen, und ich habe es nicht mitbekommen! Ich habe vier Kinder, mit denen haben wir als Familie gut und gerne 50 Kindergeburtstage gefeiert, mit Hunderten von anderen Kindern. Wir haben viele Vereine und Musikgruppen von innen gesehen, jede Menge Schulveranstaltungen besucht und auf vielen Reisen so manche Familie kennengelernt. Ganz zu schweigen von den vielen tausend kleinen oder größeren Patienten, denen ich als Kinderarzt begegnet bin. Die Kinder kamen mir vor wie eine ganz normale Mischung: manche ganz wunderbar, manche ganz okay, und manche: na ja. Eben wie bei den Erwachsenen.
    Ein anderer Kollege nimmt sich die »heranwachsende Jugend« vor: »Mangelnde Anstrengungsbereitschaft, Spaßhaltung, Selbstmitleid und eine unstillbare Konsumgier prägen das Leben eines großen Teils der heranwachsenden Jugend.« Der ehemalige Schulleiter Bernhard Bueb scheint also zumindest seinen Sokrates draufzuhaben, denn der wusste schon vor 2500 Jahren: »Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.«
    Überall Schablonen, Klischees und billiger Populismus. Die Kinder: eine Generation von Problemfällen. Deren Eltern: Was die alles verbocken – pardon: Was sie alles »fast richtig« machen. Und wie wichtig doch die Liebe zu den Kindern ist (schon gewusst?). Um das genau zu erklären, liefert ein anderer Experte sogar eine Formel. Und sie beweist klipp und klar, dass auch die
Liebe mit den Eltern steht und fällt. Denn:
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