Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Menschenkinder

Menschenkinder

Titel: Menschenkinder
Autoren: Herbert Renz-Polster
Vom Netzwerk:
brauchen. Solarparks sind wichtig. Aber ohne die gelungene Entwicklung unserer Kinder: Viel Spaß damit!
    Wie kommen wir von den Forderungen zu wirklichen Änderungen? Darauf zu hoffen, dass die Experten (oder die Politik, die Wirtschaft, die Krankenkassen, die Gesellschaft) endlich das Richtige tun, wird nicht ausreichen. Nur wenn wir als Eltern selbst Visionen entwickeln, wie wir uns die Kindheit unserer Kinder vorstellen, wird sich etwas tun.
    Und da steckt das Problem. Wo sind diese Visionen? Und was haben sie mit den Bedürfnissen der Kinder zu tun? Die absurdesten
Forderungen kommen doch oft genug – von Eltern. Kindergärtnerinnen und Krippenleiterinnen können ein Lied davon singen, etwa wenn beim Erstgespräch als Erstes das Thema »Förderung« angeschnitten wird: Was, in Ihrem Kindergarten gibt es keine Computerkurse? Und keinen Englischunterricht? Ein paar chinesische Schriftzeichen sollten doch zumindest im zweiten Jahr drin sein, spielerisch selbstverständlich. Die das fragen, sind oft Teil der gut informierten »Eliten«, womit sich dann doch die Frage stellt, warum da so viele Forderungen gestellt werden, die mit den kindlichen Bedürfnissen nur wenig zu tun haben – es ist ja nicht so, dass die Diskussion um die Vor – und Nachteile der Frühförderung im Untergrund abläuft.
    Für mich führt diese Frage zurück zum eigenen Lebensmodell. Vielleicht werden zu oft die eigenen Ziele auf die Kinder übertragen. Vielleicht richten wir zu oft die Forderungen, die wir an uns selbst stellen, auf unsere Kinder – die dann Anerkennung, Bewunderung und die Trophäen für herausragende Leistungen für uns einzusammeln haben. Wie Rennpferde, auf die wir – unbewusst – unseren Einsatz setzen. Nein, wie Taschendiebe, die uns Tag für Tag treu und brav ihre Beute abzuliefern haben. Eltern, davon bin ich überzeugt, können den kindlichen Bedürfnissen nicht gerecht werden, wenn sie sich nicht auch selbst hinterfragen: Wie wollen wir selbst leben? Wofür treten wir ein? Das Modell von Kindheit in unserem Kopf ist nie weit entfernt von dem Modell von Leben, das wir im Herzen tragen.
    Wir brauchen diesen Blick auf uns selbst dringend. Nehmen wir als Beispiel die Erziehungspädagogik der letzten 20 Jahre, wie sie etwa in vielen bis heute angebotenen »Elternkursen« ihren Ausdruck findet. Da wird oft so getan, als ginge es nur um die Kinder, und die Eltern bräuchten nur zu lernen, wie sie deren Verhalten besser lenken können: indem sie erwünschtes Verhalten belohnen, dem unerwünschten Verhalten dagegen »Grenzen setzen«. Und wo, bitte schön, kommen da die Eltern vor? Könnte es nicht sein, dass auch die sich ändern müssen, damit es in der Familie besser läuft? Dass auch sie sich neu finden müssen, damit
nicht nur das Verhalten, sondern die Beziehungen in Ordnung kommen?
    Oder nehmen wir als ein anderes Beispiel die Geburtshilfe, der ich nicht ohne Grund ein ganzes Kapitel gewidmet habe. Wer soll denn dieses System bremsen, das da gerade mit Karacho gegen die Wand fährt? Das Schwangerschaft und Geburt immer mehr als Resultat eines geglückten Risikomanagements sieht – und deren Dimension als Lebens -Erfahrungen immer weiter reduziert? Die Krankenhäuser? Sie fahren mit dem Status quo ganz gut. Der Gesundheitsminister? Er kann keine andere Geburtshilfe verordnen. Die Krankenkassen? Sie müssen bezahlen, was an Leistungen erbracht wird – je »technischer« die Geburt, desto üppiger, so will es das »Gesundheits«system. Nichts wird sich ändern, es sei denn, die werdenden Eltern setzten ihre eigenen Prioritäten in die Tat um. Es sei denn, sie sagten immer öfter einmal laut und deutlich: Macht das doch anders, oder macht es ohne mich!
    Und das ist höchste Zeit. Wie in anderen Gesundheitsfragen auch schüttelt doch längst ein großer Teil der Mediziner selbst den Kopf, was da empfohlen, verordnet und oft genug zu klingender Münze verwandelt wird. Welchen Grund soll denn eine gesunde Frau haben, eine Klinik mit einer Kaiserschnittrate von an die 50% aufzusuchen, wenn sie für sich selbst eine Vaginalgeburt wünscht? Auch Gynäkologen tauschen sich unter vorgehaltener Hand darüber aus, an welcher Klink man »Vaginalgeburt verlernt« habe.
    Und welchen Grund, bitteschön, soll eine Mutter haben, sich von irgendjemandem vorschreiben zu lassen, wie lange sie stillen soll (seit Hunderttausenden von Jahren Entscheidung der Mutter), ob sie ihr Baby tragen soll oder nicht (ebenso lange ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher