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Menschen minus X

Menschen minus X

Titel: Menschen minus X
Autoren: Raymond Z. Gallun
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schüttelte er den Kopf – was mochte es bedeuten? Konnte es eine bevorstehende Gewalttat ankünden? Ohne selbst daran schuld zu sein, hatte Ed Feinde, erbitterte, rachsüchtige Feinde – seit zehn Jahren. Vielleicht war es einem dieser Feinde in den Sinn gekommen, gerade heute zu handeln. Dann hieß es auf der Hut sein. Denn Sterben war immer noch möglich – trotz allem Vitaplasma. Vor allem die Wesen, die nach der althergebrachten Methode aus natürlichem Fleisch bestanden, konnten durch Gewaltakte getötet werden, und zu ihnen gehörte Ed. Leben waren, das wußte er recht gut, neuerdings wieder in verstärkter Gefahr – menschliche Leben und beinah menschliche.
    Behutsam und umsichtig wie immer, ließ er das dahinkriechende tintegetränkte Stäubchen unberührt. Ganz vorsichtig schob er nun das Papier mit dem geheimnisvollen Schriftzug unter sein Mikroskop – die Tintenbahn selbst war längst wieder trocken geworden, entdecken ließ sich darin nichts.
    Schlingel – vermutlich das Wort einer Botschaft. Also abwarten, was noch folgen würde!
    Während Ed zu warten begann, wurde ihm auf einmal die Bedeutung des Wortes klar – ein Scherzname für ein Kind! Merkwürdig, daß es ihm nicht sofort eingefallen war! Ein einziger Mensch nur hatte ihn, Ed, als er noch klein war, Schlingel genannt – Onkel Mitchell Prell! Onkel Mitch!
    Ed atmete schwer. Er schwankte zwischen freudigem Schreck und verstörter Ungläubigkeit – ein Lebenszeichen des verehrten und geliebten Onkels Mitch, der, als er vor zehn Jahren flüchten mußte, in die unendliche Weite des Raumes und in ein anscheinendes Nichtmehrvorhandensein entschwunden war? Und jetzt, nach so langer Zeit wieder Verbindung aufzunehmen schien?
    „Onkel Mitch –?“ rief Ed Dukas leise und beklommen.
    Wieder keine Antwort.
    Ed wartete. Er mußte daran denken, daß er eigentlich keinen Anlaß hatte, die Erinnerung an seinen Onkel Mitchell Prell nur zu lieben und zu verehren. Denn Dr. Mitchell Prell, dieser hervorragende Wissenschaftler, war gebrandmarkt durch die Schande, für die furchtbarste Katastrophe verantwortlich zu sein, die jemals über die Menschheit eingebrochen war. Freilich nicht er allein – man wußte recht gut, daß damals nicht nur Dr. Prell, sondern mit ihm ein vielköpfiges Team von Wissenschaftlern und Technikern an den Experimenten tätig gewesen war. Doch Dr. Mitchell Prell war einer der führenden Männer dieses Teams gewesen. Und obendrein der einzige Überlebende. Der einzige, den man hätte zur Rechenschaft ziehen können – wenn man seiner habhaft geworden wäre. Darauf kehrte sich ein Teil des allgemeinen Hasses, der allgemeinen Rachsucht, gegen Menschen, die mit Mitchell Prell verwandt waren. So hatte Ed aufwachsen müssen, von immer wieder auflodernden Haßausbrüchen verfolgt und stets auf wachsamer Hut vor lauernden Feinden …
    Ed starrte ins Mikroskop. Eine Minute verging, zwei Minuten, fünf Minuten, ohne daß sich weitere Schriftzeichen zeigten.
    Ed Dukas’ Gemüt, erregt durch die Erinnerung an Mitchell Prell und durch das geheimnisvolle Grußwort Schlingel, huschte in die Vergangenheit zurück:
    Ein Geburtstagskuchen mit Kerzen. Ein plätschernder Springbrunnen im Innenhof des Hauses – des gleichen Hauses, das die Dukas’ auch jetzt noch bewohnten. Ein Dackelhund namens Schnitz.
    Blumen, Kolibris und Schmetterlinge im Garten. Als Spielzeuge für das Kind kleine Planetenschiffe und sogar – kleine Weltraumschiffe. Richtige Planetenschiffe und einen regelmäßigen Verkehr innerhalb des eigenen Sonnensystems gab es auch damals schon längst. Und was die Weltraumschiffe betraf, die über die Grenzen des eigenen Sonnensystems hinaus zu den Nachbarsonnen gelangen sollten, so hieß es, auch sie würden bald Wirklichkeit werden. Welche ungeahnten, unermeßlichen Möglichkeiten schien das Leben zu bieten. Dennoch gab es auch in jenen Tagen schon Stimmen, die zur Vorsicht mahnten.
    Im großen Wohnzimmer des Hauses stand ein Sensipsych, ein wunderbares Gerät aus schwarzem, poliertem Holz mit einer großen weichen Couch davor. Man legte sich auf die Couch und entspannte sich, sanftes goldenes Licht flackerte einem vor den Augen, und man versank in eine Art Schlaf, in dem die verschiedensten Träume an einem vorüberzogen.
    Allzulange oder allzuoft durfte und konnte man freilich nie unter dem Sensipsychprojektor liegen und träumen. Meistens wurde man durch die Stimme der Mutter in die Wirklichkeit zurückgeholt:
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