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Menetekel

Menetekel

Titel: Menetekel
Autoren: Raymond Khoury
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ist mein vierter Winter hier draußen.»
    «Und Sie sind
der
Experte auf dem Gebiet der Paläoklimatologie, richtig?»
    «Wenn Sie es sagen.» Er lächelte. «Ja.»
    «Und trotzdem   …»
    «…   habe ich nicht die geringste Ahnung, was das sein könnte.»
    Gracie hätte gern etwas anderes gehört. Sie zeigte auf sein Fernglas. «Darf ich?»
    «Sicher.» Er gab es ihr.
    Die Nahsicht fügte ihren bisherigen Beobachtungen nichts Neues hinzu. In der Vergrößerung sah sie das Schimmern noch deutlicher, es wirkte undurchdringlich, fast noch unwirklicher   … Aber die Erscheinung existierte. Gar keine Frage.
    Gracie gab Simmons das Fernglas zurück. Einige Wissenschaftler waren zu ihnen getreten, sie wirkten ebenso verstört wie Simmons. Finch hatte die Arme der Skycam ausgeklappt, und Dalton überprüfte noch einmal die Halterung und die Einstellungen der zweiten Kamera. Beide warfen immer wieder Blicke nach oben. Der Kapitän trat an Deck, zwei Besatzungsmitglieder eilten ihm hinterher. Gracie fragte in die Runde: «Weiß jemand von Ihnen, was wir dort sehen?»
    «Erst hielt ich es ja für ein Leuchtsignal», meinte jemand von der Besatzung. «Aber dafür ist es zu groß und zu hell, und es ist ja auch einfach nur da, nicht? Ich meine, es bewegt sich doch kein Stück, oder?»
    Als es plötzlich laut durch die Luft peitschte, zuckten alle nur kurz zusammen. Sie kannten das Geräusch. Vor ein paar Stunden hatte das Fernsehteam den kleinen unbemannten, ferngesteuerten Hubschrauber bereits für einige Panoramaaufnahmen vom Schelfrand eingesetzt.
    Durch den Lärm der kreisenden Rotorblätter rief Dalton: «Start ist erfolgt.»
    Alle verfolgten, wie die Skycam aufstieg. Der Draganflyer X6 war ein merkwürdig anmutendes, aber brillantes Stück Ingenieursarbeit. Er sah überhaupt nicht wie ein normaler Hubschrauber aus, sondern ähnelte eher einem Insekt, ein mattschwarzes Monster, wie man es in einem
Terminator - Film
erwarten würde. Das kleine Hauptgehäuse war kaum größer als eine Mango und beherbergte die Elektronik, den Kreiselstabilisator und den Akku. Drei schmale, klappbare Arme gingen waagerecht davon ab. Am Ende jedes Arms saß ein extrem leiser, bürstenloser Motor, der oben und an der Unterseite zwei parallele Sätze speziell geformter Rotorblätter antrieb. In die Halterung am Bauch der Skycam konnte jede beliebige Art von Kamera eingehängt werden. Angetrieben wurde sie von einem Lithium-Akku, und das ganze Gerät bestand aus schwarzem, kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff, der extrem stabil und zugleich superleicht war – die Skycam wog nicht einmal zweieinhalb Kilo, hochauflösende Videokamera mit Funkübertragung inbegriffen. Sielieferte erstklassige Luftaufnahmen, und Dalton hatte sie immer im Gepäck.
    Gracie beobachtete, wie das schwarze Gerät langsam Richtung Schelf davonglitt, als eine Frau ausrief: «O mein Gott!», und im gleichen Moment sah Gracie es auch.
    Die Erscheinung veränderte sich erneut.
    Wieder loderte sie auf, dann verblasste sie vom Außenrand nach innen, schrumpfte zusammen, bis sie nur noch ein Zehntel ihrer ursprünglichen Größe besaß. So blieb sie einige atemlose Sekunden lang, bis sie wieder heller wurde und ihre ursprüngliche Gestalt annahm. Und dann sah es aus, als würden Wellen über ihre Oberfläche fließen, als würde sie sich in etwas anderes verwandeln.
    Zunächst war Gracie nicht sicher, was da vor sich ging, aber in derselben Sekunde, als die Veränderung begann, verknotete sich tief in ihrem Inneren etwas. Die Erscheinung
lebte
. Sie veränderte ihre Gestalt, verdrehte sich in sich selbst, aber immer innerhalb ihrer ursprünglichen Hülle. Während sie weiterhin kaum merklich rotierte, nahm sie mit beängstigender Geschwindigkeit neue Formen an, alle in perfekter Symmetrie, fast wie in einem Kaleidoskop, aber weniger eckig, sie waren runder, organischer. Die Muster, die sich bildeten, gingen fortwährend ineinander über, zunehmend schneller, verwirrender. Gracie hatte keine Ahnung, was sie darstellen mochten, aber sie erinnerten sie an Zellstrukturen. Und als ihr das klar wurde, breitete sich mit einem Schlag absolute Beklemmung in ihr aus. Es war, als würde sie einen Blick auf den Bauplan des Lebens erhaschen.
    Alle um sie herum waren erstarrt, ebenso sprachlos wiesie. Die Gesichter spiegelten die verschiedensten Gefühle wider, von Ehrfurcht und Staunen bis zu Verstörtheit – und Furcht. Niemand debattierte mehr, was es sein mochte. Sie standen wie
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