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Melville

Melville

Titel: Melville
Autoren: Natalie Elter
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scherzhaft klang, habe ich das Gefühl, dass er es
durchaus ernst meint. Als ich meinen Kopf wieder hebe, ist er bereits
einige Meter weit entfernt und geht um eine Häuserecke. Ich blicke
irritiert hinter ihm her, als ich aus meinem Familienhaus einen
Schuss höre.
    Mein
Vater hat sich umgebracht.
    Und
ohne der ganzen Szene einen weiteren Blick zu würdigen, mache ich
mich auf den Weg. Ich muss zurück in meine Wohnung, nach London. Ich
habe jemanden zu treffen.

    Um
fünf vor neun setzt mein Fahrer mich an der besagten Adresse ab. Ein
großer, gläserner Bürokomplex. Kein Name auf der Karte und auch
nicht auf dem Gebäude verrät, mit wem ich es eigentlich zu tun
habe. Ich werde bereits von einem Mitarbeiter erwartet, jener händigt
mir einen Besucherausweis aus und führt mich in das Gebäude hinein.
Er stellt sich nicht vor und ist anscheinend auch nicht sehr auf
Kommunikation aus.
    Um
in das gewünschte Stockwerk zu gelangen, muss der Mitarbeiter eine
Magnetkarte im Aufzug verwenden, damit die Wahltaste aktivierbar ist.
Mir wird etwas unbehaglich zumute. Schweigend fahren wir in den
zwölften Stock hinauf. Als die Türen sich öffnen, erkenne ich eine
große Vorhalle. Ein gewaltiger Schreibtisch, an dem sicher eine Art
Sekretärin sitzen sollte, steht verlassen vor einem riesigen,
abstrakten Gemälde. Unsere Schritte hallen laut auf dem Marmorboden
wider. Mit einer weiteren Sicherheitsprüfung öffnet er mir die
einzige Tür, hinein in einen holzgetäfelten Gang, welcher
geradewegs auf eine weitere große Doppeltür zuführt. Vor dieser
Tür bleibt er schließlich stehen und sagt
    „Mr
Cansworth wird gleich bei Ihnen sein, Mr Lancaster. Nehmen Sie doch
schon einmal Platz.”.
    „Vielen
Dank.”, antworte ich. Er schwingt die beiden Flügeltüren auf und
lässt mich hindurch treten. Kaum bin ich in diesem Saal von einem
Büro, schließt er die Türen auch bereits wieder hinter mir.
    Alles
in diesem Raum wirkt antik und edel. Vom großen
Mahagoni-Schreibtisch über den dunklen Marmorboden bis hin zu den
Spirituosen an der kleinen Bar. Meterweise Bücherregale füllen die
Wände, keine Pflanzen verunstalten diesen ehrwürdigen Raum und man
hat einen phantastischen Ausblick auf die nächtliche, erleuchtete
Metropole. Ich kann ihn nicht sehen und während ich mich auf eines
der Ledersofas im Gästebereich setze, überlege ich, mir einen
kleinen Drink zu genehmigen.
    „Schön,
dass du meiner Einladung gefolgt bist.”. Schnell drehe ich mich
herum. War ich eben nicht noch allein im Raum? Sicher hat er einen
zweiten Eingang zu seinem Büro. Er steht in der Nähe seines
Schreibtisches und lächelt mir aufmunternd zu. Ich stehe schnell
auf, um ihm zu zeigen, dass ich seine Anwesenheit respektiere.
    „Dürfte
ich erfahren wer sie sind, Sir?“. Da ist es wieder, das ‘Sir’.
    Gott,
was ist nur mit mir los?
    Er
beginnt mit langsamen und andächtigen Schritten auf mich zu zugehen.
Überhaupt wirkt er sehr ruhig, kaum eine ungewollte Bewegung stört
sein Gebaren.
    „Ich
werde dein Leben verändern, Melville, ich zeige dir neue
Möglichkeiten deine Gabe für das Finanzielle und Zerstörerische
effektvoller einzusetzen.“.
    Ich
unterbreche ihn, da ich befürchte einer profanen Falle aufgesessen
zu sein.
    „Sind
Sie ein Broker? Falls ja, ich habe kein Interesse an irgendwelchen
zwielichtigen Absprachen, die mich...”, da deutet er mir mit dem
Zeigefinger auf seinem Mund, dass ich still sein soll. Und ich folge
seiner Anweisung umgehend.
    „Ich
biete dir ein Bündnis an, Melville. Mein Name ist Benedict
Cansworth, ich leite die Kanzlei, der unter anderem dieses Gebäude
gehört und ich werde dir ein Angebot machen, dass du nicht
ausschlagen kannst. Ich werde dich in die Welt der Großen und
Mächtigen bringen, eine Welt voll Ruhm und Ehre, voll Laster und
Tugend. Gebrochene Regeln und geltende Ausnahmen.“.
    Ich
sehe ihn fragend an, während er bereits fast neben mir steht.
    „Sieh
es doch ein, Melville, du hast nun alles erreicht was du wolltest. Du
hast deinen Vater besiegt, deine Familie gedemütigt und du besitzt
bereits jetzt mehr Geld als du ausgeben kannst. Was soll deiner
Meinung nach noch passieren? Ich sage es dir... du wirst dich
langweilen, du wirst spielen wollen. Wahrscheinlich wirst du
irgendwann zu Drogen und Orgien abschweifen, ohne dabei die Kontrolle
behalten zu können. Du wirst mehrere Frauen haben, von denen du dir
aber nie die Vornamen merken kannst. Dein Alltag wird trist und grau,
bis du
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