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Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens
Autoren: Gretchen Craig
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zu Besuch zu kommen. Adam Johnston verneigte sich über ihrer Hand. »Darf ich Ihnen gelegentlich meine Aufwartung machen, Mademoiselle?«
    Gabriel versuchte, den Mann mit Nicolettes Augen zu sehen. Groß, gut gebaut, blondes Haar, blaue Augen. Die meisten Frauen mochten blaue Augen. Doch, er sah ganz gut aus. Aber er war ungeschickt wie ein junger Hund.
    »Das wäre … ganz bezaubernd«, erwiderte sie.
    Er schien ihr tatsächlich zu gefallen.
    »Ich werde die Stadt morgen verlassen«, erklärte Adam, »aber wenn ich darf, komme ich im Laufe des Sommers wieder.«
    Nicolette neigte den Kopf ein wenig.
    Lilie und Löwenzahn, dachte Gabriel. Er bat Marcel, Yves und Adam, gut auf sich aufzupassen, wenn sie zu ihrer Unterkunft zurückkehrten. Es waren unruhige Zeiten. Seit sich in Washington die freien Staaten und die Staaten mit Sklaverei entzweit hatten, seit überall die scharfen Reden der Abolitionisten, die gegen die Rassentrennung wetterten, und der Politiker von beiden Seiten zu hören waren, hatte sich auch das Verhältnis zwischen Weißen und Farbigen verschlechtert. Seine Gäste waren hier nicht im eigenen Revier unterwegs, und beim geringsten Anlass konnte es Schwierigkeiten geben. Abgesehen von ihm selbst, waren wohl nicht einmal seine Brüder an freigelassene Sklaven gewöhnt, die sich nicht verpflichtet fühlten, auf der Straße Platz zu machen.
    Am nächsten Morgen nahm Gabriel einen Wagen zurück zum Mississippi, um das Schiff flussaufwärts zu erreichen. Er hatte seinen Vater, Tante Josephine und die Cousinen noch nicht gesehen. Diesmal war tatsächlich von echten Cousinen die Rede; ihre Mütter waren Halbschwestern, also waren Simone, Musette und Ariane echte Halbcousinen, nahm er an. Noch ein Grund, den einen Menschen zu meiden, den er während seiner Abwesenheit am meisten vermisst hatte.
    Eine Stunde vor seiner Ankunft zu Hause fuhr das Schiff an der Plantage der Johnstons vorbei: Magnolias. Die Bäume waren voll von riesigen cremefarbenen Blüten, die mit ihrem Duft den Geruch des brackigen Wassers überdeckten. Gabriel atmete tief ein. Auf der ganzen Welt gab es keinen zweiten Platz wie diesen, dachte er.
    Und hier war also Adam Johnston zu Hause. Gabriel kannte die Geschichte der Familie in Ansätzen, wusste, woher Adam Johnston kam.
    Er ging über das Deck, denn jetzt kam Toulouse tatsächlich näher. Aus den Briefen seiner Schwester wusste er, dass Simone während seiner Abwesenheit zwei Heiratsanträge abgelehnt hatte. Zwei. War er der Grund? Er wusste nicht, ob er hoffen oder verzweifeln sollte.
    Die Dampfpfeife hatte in Toulouse angekündigt, dass das Schiff anlegen würde, und der altehrwürdige Ellbogen-John nahm Gabriel am Anleger in Empfang. Neben ihm stand Onkel Thibault mit dem freundlichen Gesicht, Cleos einfältiger, aber umso mehr geliebter Bruder.
    »Willkommen zu Hause, Mr Gabe.« Ellbogen-John lüftete den Hut zur Begrüßung und streckte ihm zögernd eine Hand entgegen, aber Gabriel schob die Hand zur Seite und umarmte John stürmisch. Dieser alte Mann war für ihn wie ein zusätzlicher Onkel gewesen, als er ein Kind gewesen war. Er war mit ihm hinaus in die Bayous gefahren und hatte ihm das Angeln beigebracht.
    »Was bin ich froh, dich zu sehen«, schnaufte John.
    Gabriel wandte sich seinem strahlenden Onkel Thibault zu und breitete die Arme aus. Thibault grinste und lachte laut. »Ich kenne dich, du gehörst mir«, sagte er. »Das weißt du doch noch, oder?«
    »Aber sicher, Thibault, und du gehörst mir.« Er legte seinem Onkel einen Arm um die Schulter. »Ach, John, es ist gut, wieder zu Hause zu sein.«
    »Wir sind auch froh, Monsieur Gabriel. Ihre Tante ist oben im Haus, wir haben Sie erst morgen erwartet.«
    Gabriel ging allein voraus, während sich Thibault und Ellbogen-John mit der Post und dem Gepäck beschäftigten. Durch das Blätterdach der großen Bäume, die zum Haus hinaufführten, fiel fleckiges Sonnenlicht auf das Gras, sodass es wie grün und grau gesprenkelt aussah. Durch den grünen Tunnel glitt die kühle Luft vom Fluss bis zur vorderen Veranda. Die mächtigen Eichen ließen ihn immer noch staunen wie damals als Kind, aber selbst sie konnten ihn nicht von der Anspannung in seinem Nacken ablenken, die sich bis in die Schultern ausbreitete, je näher er dem Haus kam.
    Die Doppeltür zur Veranda wurde aufgestoßen, und Ariane DeBlieux kam die Stufen heruntergelaufen. Mit fliegenden Röcken rannte sie die Allee hinunter Gabriel entgegen. Er fing sie auf und
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