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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Rose Tremain
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Zupfen und Stimmen lauscht er angestrengt (in einem Ohr trägt er einen winzigen Edelstein, den ihm einst eine irische Gräfin geschenkt hat). König Christian seufzt in Erwartung der lieblichen Melodie. Er ist ein korpulenter Mann. Jede Veränderung seiner Position scheint ihm einen flüchtigen Augenblick lang Unbehagen zu bereiten.
    Nun stellt sich Peter Claire in Positur: Er beugt sich aus den Hüften heraus vor, streckt den Kopf nach vorn, senkt das Kinn, und sein rechter Arm bildet ein zärtliches Halbrund, so daß er das Instrument genau an seine Mitte drückt. Nur so kann er die Musik aus sich herausströmen fühlen. Er beginnt zu spielen. Er hört den reinen Klang und denkt, allein dies werde beim König von Dänemark zählen.
    Nach dem Lied blickt er zum König hinüber, doch dieser rührt sich nicht. Seine großen Hände umklammern die Armlehnen. Auf der linken Seite seines dunklen Kopfes fällt ein langer, dünner Haarzopf herunter, der von einer Perle gehalten wird. »Im Frühjahr«, sagt Christian plötzlich, »roch es in Kopenhagen immer nach Flieder und Lindenblüten. Wenn ich nur wüßte, was aus diesem himmlischen Duft geworden ist.«

KIRSTEN MUNK, GEMAHLIN KÖNIG CHRISTIANS IV.
VON DÄNEMARK: AUS IHREN PRIVATEN PAPIEREN
    Also, zu meinem dreißigsten Geburtstag habe ich einen neuen Spiegel geschenkt bekommen, und ich glaubte, ich würde davon begeistert sein. Ich glaubte, ich würde meinen neuen Spiegel unmäßig lieben. Er hat jedoch einen Fehler: Mit seiner Versilberung ist eindeutig etwas nicht in Ordnung, denn dieses heimtückische Ding läßt mich dick aussehen. Ich habe nach einem Hammer geschickt.
    Meine Geburtstagsgeschenke, möchte ich hier einmal bemerken, waren nicht so wunderbar, wie die Schenkenden taten. Mein armer alter Herr und Meister, der König, der weiß, wie sehr ich Gold schätze, gab mir eine kleine goldene Statue von sich selbst mit einem goldenen Wurfstock in der Hand auf einem goldenen Pferd. Dieses hat eine tänzelnde Haltung mit erhobenen Vorderbeinen angenommen, so daß das dumme Ding umfallen würde, wäre da nicht ein kleiner Harlekin, der tut, als laufe er neben dem Pferd her, es aber in Wirklichkeit hochhält.
    Dabei habe ich nicht um ein weiteres Abbild meines alternden Ehemannes gebeten. Ich habe mir Gold gewünscht. Nun muß ich so tun, als liebe und verehre ich die Statue, ich muß ihr einen Ehrenplatz einräumen und so weiter, um keinen Anstoß zu erregen. Dabei würde ich sie am liebsten zur Königlichen Münzanstalt bringen und zu einem Barren einschmelzen, den ich dann mit meinen Händen und Füßen liebkosen und sogar manchmal mit ins Bett nehmen könnte, um das massive Gold an der Wange oder zwischen den Schenkeln zu fühlen.
    An dem Geschenk hingen die Worte: Dem Herzallerliebsten Mäuschen von Seinem Herrn C 4 . Ich habe den Zettel zerrissen und ins Feuer geworfen. Der Kosename »Mäuschen« geht auf die Zeit zurück, als ich seine junge Braut war und es mir Spaß machte, ihn mit meinen kleinen weißen Fingern zu kitzeln. Ich fand es damals lieb, daß er mich so nannte, lachte und schnupperte und machte alle möglichen Krabbelmaussachen. Doch diese Zeiten sind ein für allemal vorbei, nur noch mit Mühe kann ich mir vorstellen, daß es sie je gab. Ich habe nicht mehr den geringsten Wunsch, ein »Mäuschen« zu sein. Viel lieber wäre ich eine Ratte. Ratten haben scharfe Zähne, die zubeißen können. Ratten übertragen Krankheiten, die töten können. Warum wollen Ehemänner denn nicht verstehen, daß wir Frauen nicht lange ihre Schmusetiere bleiben?
    Bei meiner Geburtstagsfeier, zu der viele aus dem ambitiösen Hochadel eingeladen waren, von denen mich die meisten völlig ignorierten, machte ich mir einen Spaß daraus, eine Unmenge Wein zu trinken und zu tanzen, bis ich auf den Brennholzstapel fiel. Als ich diesen nicht weniger gemütlich als ein Bett fand, rollte ich darauf herum und schüttete mich vor Lachen aus, bis ich merkte, daß die versammelte herausgeputzte Gesellschaft ganz still wurde, sich zu mir umdrehte, mir zusah und mich leise zu beschimpfen begann.
    Dann läßt mir der König aufhelfen, mich zu ihm bringen und vor all den eifersüchtigen Herren und ihren ekelhaften Frauen auf seinen Schoß setzen. Er reicht mir seinen eigenen Wasserkelch und macht viel Aufhebens um mich, indem er mich auf Gesicht und Schultern küßt, um aller Welt zu demonstrieren, daß sie sich, egal, was ich tue, nicht gegen mich verschwören können, um meine
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