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Melodie der Sehnsucht (German Edition)

Melodie der Sehnsucht (German Edition)

Titel: Melodie der Sehnsucht (German Edition)
Autoren: Veronica Wings
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Katharer angehört. Das Schloss der Clairevaux’ lag nicht weit entfernt von der Burg Montségur, dem Zentrum ihrer Gemeinschaft. Dorthin hatte sich der Graf von Clairevaux denn auch zurückgezogen, als der König von Frankreich und die Römische Kirche die Katharer zu Ketzern erklärten und ihrem Glauben den Kampf ansagten. Fleurette hatte bis jetzt nicht ganz verstanden, warum das sein musste. Schließlich waren sie alle Christen, die an Gott und die Auferstehung des guten Herrn Jesus glaubten. Aber irgendwie stritt man sich darüber, ob Gott nun allmächtig war oder nicht, ob er nur gut und freundlich, oder auch strafend und zornig sein konnte. Auch um Priesterämter ging es und Demut vor der Heiligen Mutter Kirche und alle möglichen förmlichen Dinge – die Herrin Sabine hätte das besser erklären können. Fleurette jedenfalls hatte sich eines Tages in ihrem Gefolge in der Trutzburg der Katharer wiedergefunden – eingezwängt in eine winzige Kammer mit Sabine und anderen verängstigten Frauen und Mädchen. Der Kampf um Montségur hatte für sie nichts Heldenhaftes. Er war nur eine unendliche Kette von angstzerrissenen Tagen und Nächten, von Kämpfen, die einem jungen Ritter nach dem anderen das Leben kosteten, von Entbehrungen, Hunger und Not. Schließlich hatten die Katharer in einer letzten, verzweifelten Anstrengung einen Ausfall gewagt, in dessen Schatten die Würdenträger des Glaubens, die ›Parfaits‹ fliehen konnten. Danach fiel die Burg – und ihre Verteidiger versanken zunächst in einem Meer von Blut, das dann durch die Flammen der Scheiterhaufen getrocknet wurde.
    Die Sieger kannten keine Gnade: Wer dem alten Glauben nicht abschwor, starb als Ketzer den Feuertod. Fleurette schauderte immer noch bei dem Gedanken daran, wie nahe ihre Herrin Sabine diesem Opfer gekommen war. Die junge Frau war tief gläubig und konnte nur durch die verzweifelten Beschwörungen ihres Vaters, Philippes und nicht zuletzt der zitternden Fleurette daran gehindert werden, für ihre Überzeugung in den Tod zu gehen. Sie war es auch, die jetzt, Monate nach dem Fall Montségurs und Begnadigung der überlebenden Kämpfer, diese heimlichen Gebetstreffen ins Leben gerufen hatte. Allen Risiken zum Trotz.
    Fleurette kam inzwischen zu dem Schluss, dass ihre lüsternen Träume wohl keine Sünde waren, zumindest keine allzu schwere. Zumal ja auch nicht die geringste Hoffnung darauf bestand, dass Philippe ihr Verlangen jemals entdecken oder gar erwidern würde. Fleurette war zwar ein hübsches Mädchen mit ihrem krausen roten Haar, der hellen Haut und den lebhaften grünen Augen, aber bislang hatte der Ritter ihr niemals einen längeren Blick gegönnt. Philippe de Montcours hatte nur Augen für ihre Herrin Sabine und auch jetzt hatte Fleurette ihre Zweifel, dass seine Anbetung allein Gott dem Herrn und nicht der schönen Vorbeterin galt. Sabine de Clairevaux bot aber auch einen atemberaubenden Anblick. Ihr schweres, glattes Haar fiel wie ein Strom schwarzer Lava über ihr weißes Gewand. Sie trug es offen und in der Mitte gescheitelt, so dass es ihre hohe, schneeweiße Stirn frei ließ. Tiefschwarze Brauen und lange, gebogene Wimpern umrahmten leuchtend blaue Augen, ein Kontrast, wie er reizvoller nicht sein konnte. Sabines Gesicht war ein zartes Oval, ihre Nase klein und gerade, ihre Wangen jetzt mit der leichten Röte der religiösen Ekstase überzogen. Sabines Lippen waren voll und klar geschnitten – Fleurette fand es nicht verwunderlich, dass Philippe daran hing, als habe das Mädchen ihn mit einem seltsamen Bann belegt. Sabines eigener Blick war jedoch nur nach innen gerichtet. Sie schien nicht zu bemerken, mit welcher Leidenschaft der junge Ritter zu ihr aufsah. Wenn sie ihm gelegentlich ein Lächeln schenkte, so war es nur das gütige Gesicht, dass sie allen Gemeindemitgliedern zeigte.
    Nun hätte man das für eine Pose halten können, ein Spiel, um den eventuellen Liebhaber hinzuhalten. Fleurette kannte nicht viele junge Frauen, gleichgültig ob aus dem Volk oder von Adel, denen sie eine derartige Unschuld abgekauft hätte. Mit Sabine war das jedoch etwas anderes. Fleurettes Herrin war ein äußerst bescheidenes Mädchen. Sie wäre entsetzt gewesen zu wissen, dass Philippe sie wie eine Göttin verehrte.
    Auch jetzt schenkte sie ihm keinen weiteren Blick, als sie ihre Predigt endlich beendete, die Gemeinde zu einem letzten stummen Gebet aufforderte und dazu das Podium verließ. Versunken in ihrer Andacht bemerkte sie
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