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Melodie der Sehnsucht (German Edition)

Melodie der Sehnsucht (German Edition)

Titel: Melodie der Sehnsucht (German Edition)
Autoren: Veronica Wings
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Reine‹.

Zweites Kapitel
    Das Herrenhaus und das Weingut der Familie Montcours lagen nur wenige Meilen vom Schloss der Clairevaux’ entfernt. Sabine konnte ohne große Vorbereitung einen Ausflug dorthin unternehmen, ja, ihr Vater zeigte sich sogar recht erfreut, als sie ihm gleich am Morgen ihre Pläne mitteilte.
    »Das ist gut, Sabine, dass du einmal ausreitest! Du kommst viel zu selten an die frische Luft, seit uns diese unselige Nachricht vom Tod deiner Lehrerin erreicht hat. Immer nur grübeln und beten, das ist nichts für ein junges Ding wie dich! Aber lass einen Stallknecht mitreiten, die Straßen sind unsicher, seit die Söldner des Königs tatenlos in den Schenken hocken. Man möchte doch meinen, die würden anderswo gebraucht, nachdem sie Montségur geschleift haben. Aber stattdessen belauern sie uns noch immer, als würden wir unserer ›Ketzerei‹ auf offener Straße fröhnen oder vor ihrer Nase mit dem Heiligen Gral herumwedeln!«
    Sabine nickte folgsam. Sie wäre auch ohne den Hinweis nicht allein geritten, wenngleich sie wenig Vertrauen in die Kampfkraft des kleinen Knechtes setzte, der ihr jetzt auf einem der ältesten Pferde aus Clairevaux’ Stall folgte. Der Junge schien vorher noch nie geritten zu sein, und ob er ein Schwert führen konnte, war auch mehr als zweifelhaft. Sabine seufzte. Nicht nur die Ritterschaft der Katharer war im Kampf um Montségur dezimiert worden. Auch ihre treuen Diener waren für ihren Glauben gestorben. Nun passte sie den Schritt ihrer edlen Stute notgedrungen den kurzen Tritten des alten Ponys an. Sie tat das höchst ungern, denn eigentlich war Sabine eine schneidige, fast draufgängerische Reiterin. Tatsächlich war das Reiten eigentlich das einzige weltliche Vergnügen, dem sie etwas abgewinnen konnte – und früher, als noch niemand ›Anstoß‹ daran nahm, dass die kleine Sabine im Herrensitz und ohne Sattel auf dem Land ihres Vaters herumgaloppierte, hatte sie es noch schöner gefunden. Sie fühlte sich seltsam wach und erregt, wenn sie den warmen, lebendigen Körper des Pferdes zwischen ihren Schenkeln spürte und freute sich am Gleichklang ihrer Bewegungen mit denen des starken, freundlichen Geschöpfes unter ihr. Ob das wohl schon ›unkeusche Gedanken‹ waren? Sabine hatte mit dem Begriff der Sünde ähnliche Probleme wie ihre Zofe Fleurette. Erst seit sie zwangsweise zum Glauben der Kirche übergetreten war, legte sie regelmäßig die Beichte ab und wusste eigentlich nie so genau, was der gestrenge Priester hören wollte. Aber neulich hatte er in ihrem Beisein ein Dorfmädchen ermahnt, nicht ohne Sattel auf seinem Maultier zu reiten. Der breitbeinige Sitz auf dem knochigen Tier begünstige ›unkeusche Gedanken‹. Sabine konnte darüber nur den Kopf schütteln, ihr erschien das Maultier eher unbequem. Aber das wiegende Gefühl auf dem Rücken der Stute und das rhythmische, sanfte Reiben der Sattelhörner an ihren Schenkeln genoss sie doch.
    Entsprechend gut gelaunt und friedlich gestimmt lenkte sie ihr Pferd durch die Weinberge zwischen den Gütern. Die Sonne schien, wie meist in dem gesegneten Land Aquitanien, und die grünen, mit Reben bewachsenen Hügel kündeten von Sommer und Fruchtbarkeit. Sabine sprach rasch ein Dankgebet für das Leben, den Wein und das Licht – dieses wundersame, seltsame Sonnenlicht, das Aquitanien so einzigartig machte und einen strahlenden Zauber über die Berge, die Felder und auch die meist alten, verträumten Schlösser und Herrenhäuser legte.
    Auch das Gut der Montcours schien es jetzt zu erleuchten – Sabine sah die verwinkelten Steinmauern des schlossähnlichen Wohnhauses und die neueren, weiß getünchten Stallanlagen. Die Montcours’ betrieben seit Jahrhunderten Weinbau, und auch ihre Liebe zu ihrem Land hatte sie bewogen, dem Glauben der Katharer abzuschwören. Sicher hatte Roman de Montcours die Gefahr geahnt. Seine Familie hätte rechtzeitig in die Lombardei fliehen können, statt sich mit den anderen in Montségur zu verschanzen. Dann wäre Henriette jetzt vielleicht noch am Leben, aber Sabine verbot sich, heute über die Vergangenheit nachzugrübeln. Vor ihr lag eine ganz andere Mission. Eine, an die sie noch vor wenigen Wochen nie gedacht hätte.
    Immerhin war sie optimistisch gestimmt, als sie ihr Pferd jetzt auf den Hof der Montcours führte. Natürlich dürfte das Gespräch mit Philippe am Anfang etwas peinlich sein, aber unzweifelhaft würde er sie verstehen. Sabine empfand große Sympathie für den
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