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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer
Autoren: Charles R. Maturin
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wie’s von dem spanischen Autor geschildert ist in all dem wirklichen Entsetzen solchen Geschicks [26] ? Dort vergilt der Steinerne Gast dem Gastgeber dessen Einladung, indem er ihn seinerseits auf ein Gelage lädt. – Der Ort solchen Bankettes ist die Kirche. – Der Geladne erscheint, – das Kircheninnre ist auf rätselhafte Weise erleuchtet, – unsichtbare Hände halten Lampen, welche auf uhirdische Weise gespeist sind, um dem Abtrünnigen zu seiner Verdammnis zu leuchten! – Er betritt die Kirche und wird von einer zahlreichen Gesellschaft begrüßt: – es sind die Geister all jener, welche er getäuscht und gemordet hat, und die nun aus dem Beinhause auferstanden sind, gehüllt in ihre Leichentücher, um ihm ihren Willkomm zu bieten! – Und dieweil er zwischen ihnen hindurchschreitet, fordern sie ihn mit Grabesstimmen auf, er möge ihnen eine Gesundheit zutrinken aus den blutgefüllten Pokalen, die sie ihm entgegenhalten. Unterm Altar aber, an welchem der Geist dessen seiner harrt, den der Vatermörder umgebracht, hat sich schon gähnend der Abgrund des Verderbens aufgetan, bereit, ihn zu verschlingen! – Durch solche Schar hindurchzuschreiten muß nunmehr nur zu bald auch ich bereit sein! – Isidora! Deine Gestalt ist ja die letzte – und die schrecklichste! So nehm’ ich denn den letzten Tropfen zu mir, den von den Gütern dieser Erde ich verkosten muß, – den letzten, der die sterblichen Lippen mir benetze!« Und langsam leerte er das Glas zur Neige, dieweil keiner seiner Tischgenossen auch nur ein Sterbenswort hervorzubringen vermochte. Danach saß er in tiefen Gedanken, und keiner der beiden wagte es, dies Nachsinnen zu unterbrechen.
    So verharrten sie schweigend, bis der Morgen heraufdämmerte, und das erste, graue Licht des Tages durch die geschlossnen Fensterläden sickerte. Dann erst hob der Wanderer den düstern Blick und heftete die Augen auf Melmoth. »Dein Vorfahr ist nun heimgekehrt«, so sprach er: »Sein Irren durch die Welt, es hat ein Ende! Was man mir nachgesagt, was man von mir geglaubt, nun zählt’s für mich nicht länger mehr. Das Rätsel meines Daseins ruht mit mir. Was über mich auch alle Angst erfunden, Leichtgläubigkeit von mir für wahr geglaubt, – was hat nach allem es noch zu bedeuten? Ging mein Verbrechen übers Maß des Menschen, wird auch mein Strafmaß seines übersteigen. Wohl war ein Schrecken ich auf dieser Erde, doch nimmermehr ein Übel ihren Menschen, denn keiner kann mein Schicksal mit mir teilen, es wäre denn aus seinem freien Willen. Doch keiner hat’s getan! So muß auch keiner die fürchterliche Strafe mit mir teilen. Ich ganz allein muß mich ihr unterwerfen. Und hab’ ich gleich die Hände ausgestreckt, die Frucht von dem verbotnen Baum zu essen, – bin’s denn nicht ich allein, der, ausgeschlossen von Gottes Gegenwart, durch Welten irrt, als ein Vertriebner aus dem Paradiese, die unwegsam sind und verflucht auf ewig?
    Es wird von mir erzählt, der Menschenfeind, er habe mir die Lebenskraft verliehen, der Menschen Sterblichkeit zu überdauern. Auch sei von ihm ich in den Stand gesetzt, mich unverweilt von einem Ort zum andern mit des Gedankens Schnelle zu begeben, ja selbst die fernsten Länder aufzusuchen und noch dem stärksten Sturm die Stirn zu bieten, ohn’ alle Hoffnung , darin umzukommen. Auch sägt man, daß mich keine Kerkermauer abhalten kann, die Zellen zu betreten, dieweil mir deren Tür und Tor und Riegel ein Flachs und Werg sind unter meinem Griff. Und schließlich sagt man, solche Kraft, sie sei mir zu dem einzigen Zweck verliehen worden, die Elendsten der Armen zu versuchen, wenn deren Not den Gipfelpunkt erreicht, – sie zu versuchen mit dem Angebote der Freiheit und der Unverletzlichkeit, wenn sie ihr Schicksal mit dem meinen tauschenten. – Und so dies wahr ist, legt es Zeugnis ab für jenes Wort, das Einer ausgesprochen, den nimmer ich mit Namen nennen darf, – für etwas, dessen Wahrheit widerhallt in jedem Menschenherzen dieser Welt.
    Nein, keiner fand sich, welcher da mit Melmoth, dem Wanderer, sein Los gewechselt hätte. Den ganzen Erdkreis habe ich durchforscht, doch nicht für alle Schätze dieser Welt hat einer sich dazu bereit gefunden, sein Seelenheil darüber zu verlieren! – Nicht Stanton in des Irrenhauses Mauern, – nicht Ihr, Moncada, in der Kerkerzelle, darein der Pfaffen Arglist Euch geworfen, – noch Walberg, der vor seinen eignen Augen die eignen Kinder Hungers sterben sah, – noch auch, ach, –
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