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Melina und die vergessene Magie

Melina und die vergessene Magie

Titel: Melina und die vergessene Magie
Autoren: Susanne Mittag
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darauf zu. Der kleine, gebeugte Mann, der ihm entgegentrat, hatte schwarz gefleckte Haut. In seinem Gesicht leuchteten die Augen unnatürlich weiß. Tann ließ die Arme sinken.
    »Nori?«
    Sein Gegenüber nickte. »Kommt rein! Die Chulus haben uns gewittert, wir haben nicht viel Zeit.«
    »Chulus?« Tann wirkte erschüttert, als er Nori in die Hütte folgte. Drinnen war es stockdunkel, bis Nori ein paar leise Worte murmelte und der kleine Raum in hellem Licht erstrahlte. Wie auch im Haus des Zauberers Salius, konnte Melina nirgends eine Lampe entdecken. Als sie Nori betrachtete, stellte sie verblüfft fest, dass er ein schmaler Junge in ihrem Alter war. Seine gebückte Haltung und die Bewegungen hingegen waren die eines alten Mannes, dessen Leben aus körperlicher Arbeit bestanden hatte. Auch Tann starrte Nori irritiert an.
    »Was hast du denn gemacht? Bist du einem Nachtzauber zum Opfer gefallen? Und was soll das Gerede über Chulus?«
    Der Junge antwortete nicht gleich. Hektisch kramte er aus Truhen und Schränken verschiedene Dinge zusammen, die er in einen Sack packte.
    »Du hast keine Ahnung, oder?«
    »Wovon?«, fragte Tann ungeduldig.
    »Von den Feuerzauberern.«
    Tann rang um Fassung, und Nori fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Helle Spuren zogen sich wie Kriegsbemalung durch das Schwarz.
    »Also gut! Ein paar Minuten haben wir sicher.« Er ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Ich muss wohl nicht fragen, wo Meister Salius gerade ist?«
    »Im Eispalast«, erklärte Tann mit fragendem Blick. »Aber was hat das damit …?«
    »Alles hat damit zu tun! Vor fünf Tagen wurde auch Meister Terkian in den Eispalast gerufen. Kaum hatte er das Dorf verlassen, tauchte ein Feuerzauberer auf und scheuchte uns mithilfe seiner Chulus zusammen. Er sagte, wir gehörten nun ihm. Dann brachte er uns nach Süden, zu einer Feuerhütte. Seitdem sind wir seine Sklaven.«
    Tann schüttelte den Kopf. »Das ist nicht möglich. Die Feuerzauberer wurden im letzten Krieg besiegt. Es gibt keine Feuerzauberer, keine Chulus und keine Feuerhütten mehr, König Yanobis würde das doch niemals zulassen.«
    Nori funkelte ihn wütend an. »Glaub mir, das hier ist keine Einbildung!«
    Er deutete auf das Schwarz in seinem Gesicht und auf seinen Kleidern. Erst jetzt wurde Melina klar, dass es Ruß war.
    »Tann«, fuhr Nori mit eindringlicher Stimme fort, »die dunkle Zeit wird bald zurückkommen!«
    Melina setzte sich. Das klang gar nicht gut, auch wenn sie nicht mal die Hälfte von dem Gerede verstand.
    »Was sind Feuerhütten?«, wagte sie einzuwerfen.
    Nori musterte sie, und offenbar wurde ihm ihre Anwesenheit erst jetzt bewusst.
    »Du hast davon noch nie gehört? Sie sehen aus wie riesige Halbkugeln aus Stein. Aus mehreren Löchern kommt Rauch heraus. In ihrem Innern brennt das heißeste Feuer, das man sich vorstellen kann. Es muss unermüdlich mit magischem Holz in Gang gehalten werden, eine Arbeit für Sklaven.« Er schnaubte. »Daraus gewinnen wir für den Feuerzauberer gebündelte Magie. Pure Macht.«
    »Wofür braucht er so viel Magie?«, murmelte Tann.
    Nori zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung … ist mir auch egal. Aber es ist mir nicht egal, dass er mein Volk so hart arbeiten lässt – ohne Lohn und bei schlechtem Essen.«
    Melina sah Tränen der Wut in seinen Augen.
    »Heute habe ich mich weggeschlichen. Um Nahrung und Medizin zu holen. Und Magiekugeln, nicht aus Feuer, sondern aus Eis.«
    Tann nickte fassungslos. »Deshalb treiben sich also Chulus hier herum. Sie suchen nach dir!«
    Nori sprang auf. »Ja, und wir sollten sehr bald verschwinden. Ich muss zurück.«
    »Das ist doch Wahnsinn«, wandte Tann ein. »Warum gehst du nicht einfach zum Eispalast und holst die Zauberer? Der König würde niemals zulassen, dass so etwas hier geschieht.«
    Nori schlug mit der Faust auf den Tisch. »Hast du es noch nicht verstanden? Überall im Land ist es dasselbe!«
    »Das kannst du nicht wissen!«, widersprach Tann heftig.
    »Doch.« Nori seufzte. »Auf meiner Flucht traf ich auf einen Jungen, einen fahrenden Sänger. Er ahnte, dass ich ein entflohener Sklave war, und gab mir etwas von seinen Vorräten. Er hat mir erzählt, dass in allen Dörfern von Lamunee seltsame Dinge geschehen. Es muss Hunderte von diesen Feuerhütten geben. Und alle königstreuen Zauberer sind in den Eispalast gerufen worden.«
    Melina runzelte die Stirn und versuchte, das Puzzle ihrer Gedankenstücke zusammenzusetzen. »Die Eiszauberer sind also die
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